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Regisseur Rothemund (bei Dreharbeiten zu »Donna Leon – Venezianisches Finale«): Lob von Tarantino

Foto: Michael Hanschke / picture-alliance / dpa

Nicht viele Filmemacher haben mit ihrem Werk eine ganze Zeitschrift inspiriert. Bei Siegfried Rothemund war das so: Der Regisseur, der anfangs unter dem Pseudonym Siggi Götz am Sexfilmboom der Siebzigerjahre partizipierte und später als Sigi Rothemund mit weniger verfänglichen Werken das deutsche Fernsehen prägte, war der Namenspate der Kinozeitschrift »SigiGötz Entertainment«, die von Münchner Trashfilm-Connaisseuren seit 2001 veröffentlicht wird. »SigiGötz Entertainment« machte zuerst öffentlich  , dass der Regisseur im Alter von 79 Jahren gestorben ist. Seine Töchter bestätigten dem SPIEGEL die Todesnachricht – Sigi Rothemund ist am Samstag »nach schwerer Krankheit auf Menorca von uns gegangen«.

Der 1944 geborene Rothemund begann seine Laufbahn als Regieassistent von Franz Marischka, Zbyněk Brynych und Peter Weck. Die Produktionsgesellschaft Lisa Film von Karl Spiehs setzte ihn dann in den Siebzigerjahren für zahlreiche zeittypische Sexkomödien in den Regiestuhl. Sie trugen sprechende Titel wie »Geh, zieh dein Dirndl aus«, »Alpenglühn im Dirndlrock« (beide mit Elisabeth Volkmann), »Bohr weiter, Kumpel« oder »Was treibt die Maus im Badehaus?«.

Einer von Rothemunds Filmen aus dieser Epoche wurde 2023 von Quentin Tarantino hochgelobt. Das Werk aus dem Jahre 1974 mit Sylvia Kristel in der Hauptrolle hieß auf Deutsch »Es war nicht die Nachtigall« und wurde international als »Julia« vermarktet . Im Podcast The Video Archives schwärmte Tarantino (laut »Blickpunkt Film«): »Beim Schauen musste ich an einen Eric-Rohmer-Film wie ›Claires Knie‹ denken. Aber im Gegensatz zu einem Eric-Rohmer-Film liefert dieser hier auch ab, was den Sex und die Erotik angeht.« Die popkulturellen Referenzen erinnerten Tarantino an die Werke von Richard Linklater. »Ich habe den Film wirklich sehr gemocht«, resümierte der langjährige Videothekenmitarbeiter: »Ich liebe sowieso diese Art von europäischem Erotikfilm, die ich sogar als meine liebste Form des erotischen Films bezeichnen würde.«

Auch in den späten Siebzigern und frühen Achtzigern, in denen er in Filmen wie »Griechische Feigen«, »Summer Night Fever« oder »Die schönen Wilden von Ibiza« Teeniefilme mit Sexploitation-Anteilen an südlichen Schauplätzen drehte, firmierte der Regisseur weiterhin als Siggi Götz. Unter diesem Pseudonym brachte Rothemund auch die Filmkarriere von Thomas Gottschalk auf den Weg: 1982 wollten über eine Million Zuschauer die Klamotte »Piratensender Powerplay« (mit Gottschalk und Mike Krüger in den Hauptrollen) in den Kinos sehen. Rothemund drehte mit Gottschalk noch zwei weitere Filme, »Die Einsteiger« und »Big Mäc«, beide 1985.

Unter eigenem Namen half Rothemund, eine bundesdeutsche Fernsehtradition aufzubauen: die ZDF-Weihnachtsserie. 1979 verfilmte er den von Justus Pfaue in die Gegenwart versetzten James-Krüss-Roman »Timm Thaler« mit Thomas Ohrner in der Hauptrolle des Jungen, der sein Lachen verkauft. Die 13-teilige Serie fand ein Millionenpublikum; ein Erfolg, an den Pfaue, Rothemund und Produzent Bernd Burgemeister anknüpfen konnten: 1981 mit »Silas« und 1982 mit »Jack Holborn« (beide Male mit Patrick Bach in der Hauptrolle).

Mit dem Ruf, den sich Sigi Rothemund durch die Weihnachtsserien erarbeitet hatte, bekam er in der Folgezeit eine Vielzahl von Drehaufträgen fürs Fernsehen. Im ZDF verfilmte er die US-Komödie »Drei gegen Hollywood«, für die ARD reiste er in einer sechsteiligen internationalen Co-Produktion mit Karl May nach Osten, »Jenseits der Morgenröte«. Für den Spionagefilm »Affäre Nachtfrost« mit Hansjörg Felmy und Gudrun Landgrebe schrieb Rothemund auch selbst das Drehbuch.

In den Neunziger- und Nullerjahren war Rothemund auch fürs Privatfernsehen tätig. So drehte er 1998 am Rande des DFB-Pokalendspiels für ProSieben den Thriller »Das Finale«. Beim selben Sender inszenierte er eine Art Antwort auf »Drei Engel für Charlie«, »Wilde Engel«. Und bei der RTL-Krimiserie »Der Clown« führte Rothemund in etlichen Folgen Regie.

In Zeitungsartikeln immer öfter als »Routinier« betitelt, spezialisierte sich Sigi Rothemund immer mehr auf Krimis. Er drehte mit Hauptdarsteller Klaus Löwitsch Folgen der Serie »Peter Strohm«, mit Dieter Pfaff und Frank Giering inszenierte er das Krimidrama »Erinnere dich, wenn du kannst!«. Und auch die Auftaktfolge zu »Commisssario Laurenti« (mit Henry Hübchen) vertraute man Rothemund an.

Zur Daueraufgabe für Sigi Rothemund wurde aber ab 2002 die Arbeit an den in Venedig spielenden Donna-Leon-Verfilmungen. Erstmals führte Rothemund beim dritten Fall der Reihe Regie, da noch mit Joachim Król als Commissario Brunetti. Von 2003 an übernahm Uwe Kockisch die Hauptrolle in der erfolgreichen Produktion für die ARD-Tochter Degeto. Mit dem 26. Fall ging die Krimireihe 2019 zu Ende.

Sigi Rothemund war von 1983 bis 1998 mit der Schauspielerin Margit Geissler verheiratet, die 2016 starb. Seine Leidenschaft für die Filmregie gab er an seinen Sohn Marc weiter, der mit »Sophie Scholl – Die letzten Tage« 2006 für den Oscar nominiert war. Für »Pornorama« ließ sich Marc Rothemund auch vom Frühwerk seines Vaters inspirieren. Außerdem hinterlässt Sigi Rothemund die erwachsenen Töchter Dany und Nina Rothemund.

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