Im Prinzip könnte man das hier auch in vier Worten ohne Verb erledigen: Neuer Brenner, immer gut. Aber damit kein Raum für Notizen auf der Seite frei bleibt und weil wir ja auch eine Informationspflicht hinsichtlich literarischer und weniger literarischer Neuerscheinungen haben, wird das jetzt doch ein bisschen länger. Schließlich hat man nach dem letzten Band „Brennerova“, der im Jahr 2014 erschienen ist, fast nicht mehr damit gerechnet, dass Wolf Haas noch einmal zu seinem Helden zurückkehrt, aber es ist ihm was eingefallen. Oder, wie es im Brenner-Erzählkosmos heißt, jetzt ist schon wieder was passiert, auch wenn es diesmal eigentlich schon verjährt ist, obwohl Mord nicht verjährt, aber Dings.

Andrea Diener

Redakteurin im Feuilleton.

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Die Brenner-Krimis erzählen ihre Fälle auf eine sehr eigene Weise beziehungsweise lassen sie erzählen von einem, von dem man nur seine Stimme kennt und sonst nichts über ihn weiß. Aber die Stimme ist dafür sehr präsent. So ungefähr wie diese schon ziemlich angetrunkenen Typen an der Bar so gegen Mitternacht, die man nur schwer loswird, aber dann kippt man doch in diese Geschichte rein, auch wenn der Erzähler sich mitunter vergebens um Stringenz bemüht, und hört sich das halt doch bis zum Ende an. Manchmal fließt der Erzählstrom nicht so richtig und schweift irgendwohin ab, wie wenn man einen Hund spazieren führt, und dann ist da ein Eichhörnchen, und es gibt für den Hund in diesem Moment nichts Wichtigeres als eben dieses Eichhörnchen. Genau so beginnt der neue Brenner mit Müll, erst einmal geht es um nichts anderes, da wird die ganze Welt vom Müllplatz aus erzählt oder, wie der Wiener sagt, vom Mistplatz aus. Und dieser Mistplatz und seine Belegschaft werden vor uns ausgebreitet wie ein großes Schlachtengemälde.

Ein Fehler im System

„Müll beste Schule für das Denken“, heißt es da. Denn Stilmerkmal Satz ohne Verb. Und: „Vor dem Mist sind alle Menschen gleich.“ Denn natürlich ist die Erzählung nicht einfach nur so dahergeredet, sondern höchst artifiziell geformt und voller Hammersätze, so kennt man Wolf Haas und seine Prosa.

Für alles, was auf der Welt anfällt, gibt es Wannen. Für Folien, für Sperrmüll, für Textil. Nur für menschliche Überreste gibt es keine Wannen, denn die sind kein Müll. Wenn trotzdem welche auf dem Müllplatz auftauchen, also Knie und Hände und ein Kopf, dann ist ein Fehler im System und irgendwas schiefgelaufen. Simon Brenner, Haas’ vom Leben gebeutelter Ermittler, der seit einiger Zeit auf dem Müllplatz arbeitet, beginnt also der Genrekonvention entsprechend zu ermitteln. Auch wenn sonst wenig nach Konvention läuft, denn es gibt erst einmal Wichtigeres als Fall und Ermittler, nämlich den Müll und seine Philosophie, und da müssen wir jetzt durch. „Kriminalroman Hilfsausdruck“, würde der Brenner-Erzähler sagen. Wo­möglich sogar bloß Hilfskonstrukt, muss man da ergänzen.

Bis der Brenner endlich auftaucht und in die Gänge kommt, dauert es. Zuerst einmal erscheint die reguläre Polizei in Gestalt der Kripobeamten Savic und Kopf, wobei Letzterer den Brenner noch als Ausbilder kennt. Also der Brenner war der Ausbilder, der Kopf ermittelt mehr so aus dem voluminösen Bauch heraus. Und natürlich ist er überrascht, seinen ehemaligen Vorgesetzten ausgerechnet auf dem Müllplatz anzutreffen, in Orange von Kopf bis Fuß und, auch das stellt sich heraus, ohne festen Wohnsitz. Dabei ist Brenner nicht komplett unzufrieden mit der Situation, aber viele Lebensträume sind ihm auch nicht gerade geblieben.