Das Verfahren vor dem Wiesbadener Amtsgericht gegen den früheren CDU-Stadtverordneten Wolfgang Gores und dessen Tochter wegen Anstiftung und Beihilfe zur Untreue kommt nur schleppend voran. Der Prozess ist Teil der juristischen Aufarbeitung der Frankfurter und Wiesbadener AWO-Skandale und nimmt die vermeintliche Scheinbeschäftigung der Gores-Tochter in den Blick. Die Vernehmung der früheren AWO-Geschäftsführerin Hannelore Richter war am Montag aber noch einmal verschoben worden.

Oliver Bock

Korrespondent der Rhein-Main-Zeitung für den Rheingau-Taunus-Kreis und für Wiesbaden.

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Stattdessen wurde die frühere Leiterin des von der AWO geführten Wiesbadener Frauenhauses, Alexandra Dumitrescu, gehört. Dort sollte die Angeklagte ein vierwöchiges Praktikum leisten. Sie be­warb sich aber nicht auf dem üblichen Weg. Vielmehr wurde Dumitrescu von Vater Gores lediglich in Kenntnis gesetzt, dass er sich mit der „befreundeten“ Richter auf das Praktikum verständigt habe.

Laut Anklage hat Gores seinen Kontakt zu Richter genutzt, um der Tochter über eine Teilzeit-Anstellung ein berufsbegleitendes Studium zu ermöglichen. Ohne für die AWO zu arbeiten, strich die weiter in Berlin wohnende Tochter laut Anklage zwischen 2017 und 2019 netto 53.000 Euro ein. Allerdings erfüllte sie weder die Zulassungsvoraussetzungen für das Studium noch die Praktikums-Erfordernisse während des Studiums. Den ersten Mangel behob die AWO-Führung mit falschen Bescheinigungen und wäre wohl noch einmal so vorgegangen, ob­wohl die Tochter laut Dumitrescu an Frauenhaus-Arbeit kein Interesse zeigte und sich nach drei Tagen krank meldete, um fortan gar nicht mehr zu erscheinen.

„Die größte Unverschämtheit“

Der Frauenhaus-Komplex ist für den Anklagevorwurf zwar von untergeordneter Relevanz, doch geht es um die Glaubwürdigkeit von Gores. Dessen Anwalt Bernhard Lorenz ist ohnehin der An­sicht, dass der Arbeiterwohlfahrt Wiesbaden gar kein Schaden entstanden ist, weil die AWO Frankfurt die Ausgaben erstattet hat oder zumindest ausgleichspflichtig gegenüber Wiesbaden wäre. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft aber ist der Schaden in dem Moment eingetreten, als das Scheinarbeitsverhältnis abgeschlossen wurde. Amtsrichter Fabian Schicke wird sich vor einem Ur­teilsspruch wohl noch mit diversen Beweisanträgen von Lorenz auseinandersetzen müssen. Ob die Plädoyers, wie bislang vorgesehen, drei Tage vor Weihnachten gehalten werden, scheint bislang wenig wahrscheinlich.

Erhellt hat der jüngste Prozesstag vor allem die Art und Weise, wie die AWO-Geschäftsführung in ihre Einrichtungen hineinregiert und gerade in Personalfragen übliche Standards und Abläufe ignoriert hat, wenn es darum ging, jemandem einen Job zu verschaffen. Im Frauenhaus war die Krise wegen einer solchen Personalie so groß, dass alle Mitarbeiterinnen außer Dumitrescu kündigten. Die fühlte sich zwar übergangen und ertrug einiges. Einen falschen Praktikumsbericht für die Gores-Tochter zu unterzeichnen verweigerte sie aber. Dieses Verlangen sei „die größte Unverschämtheit“ gewesen. Auch wenn sie von Gores danach regelrecht „gestalkt“ worden sei.