Ein Hauch von Panik hat die Kunstszene ergriffen. Es geht um die Krone eines Schöpfers, von der ein Handwerker ein paar Zacken für sich beansprucht. Eine Revolte der Sklaven bedroht die Konzeptkunst. Hitler und der Papst treten auf: Wer hat sie erschaffen? Angeklagt sind ein weltweit vergöttertes Genie und die Wertvermehrung auf dem Kunstmarkt – Museen und Galerien inklusive. Angestoßen hat den Prozess ein achtzigjähriger verkannter Porträtist, dem die Mächtigen der Welt Modell stehen: Daniel Druet. Er fabriziert die Wachsfiguren des Pariser Musée Grévin. Weil ihm der am Stock gehende Johannes Paul II. so hervorragend gelang, engagierte ihn die Galerie Perrotin als Exekutanten des Konzeptkünstlers Maurizio Cattelan. In dessen Auftrag schuf Druet die Figur des von einem Meteoriten niedergestreckten Papstes für Cattelans legendäre Installation „La Nona Ora“.

Auch die Figur des knienden Hitlers in Cattelans „Him“ verdankt ihre Ausformung den magischen Händen des Monsieur Druet. „Him“ wurde 2016 bei Christie’s in New York für 17,2 Millionen Dollar mit Aufgeld versteigert; das Honorar für den Hersteller hatte einst 15.000 Euro betragen, Material inklusive. Groß war der Schock, als am 1. Mai die Zeitung „Le Monde“ von Druets Klage gegen Cattelan, dessen Galeristen Perrotin und das Pariser Museum La Monnaie berichtete, das dem in New York lebenden Italiener dessen bislang umfassendste Retrospektive in Europa gewidmet hatte.

Nur ein Glied in der Produktionskette?

Nun fordert Druet 5,25 Millionen Dollar Schadenersatz. Doch Geld ist nur ein Aspekt. Daniel Druet sehnt sich nach künstlerischer Anerkennung. Der Artikel war eine veritable Enthüllung. Niemand außer den Betroffenen hatte von dem Prozess bis dahin eine Ahnung. Vor ein paar Tagen ist die Verhandlung vor dem Tribunal Judiciaire von Paris dann über die Bühne gegangen: Cattelan war gar nicht erst erschienen, für einmal stand der Kläger im Licht der Öffentlichkeit. Druet will als Urheber von acht Wachsfiguren Cattelans anerkannt werden. Er habe, plädierte sein Anwalt, „der Materie Leben eingehaucht“. Es sei gerade umgekehrt, hielt der Anwalt von Perrotin, Pierre-Olivier Sur, dagegen: „Ohne Cattelan sind Druets Skulpturen wertlos.“ Der Wachsfigurenformer sei angemessen bezahlt worden.

Verkündet wird das Urteil am 8. Juli. Die Panik hält an, denn es handelt sich um einen Präzedenzfall, der viele Verfahren nach sich ziehen könnte. Gleich nach der Verhandlung veröffentlichten hundert Museumsdirektoren, Künstler, Kunsthistoriker und Galeristen einen Aufruf. Sie unterstrichen Cattelans Anspruch auf die Schöpfung mit den Prinzipien der Konzeptkunst: Entscheidend ist die Idee. Von Banausen – Niveau Wachsfigurenkabinett – und reaktionären Anhängern der „klassischen Bildhauerei“ werde der Avantgarde wieder einmal der Prozess gemacht. Sie formulierten es etwas eleganter und mit Jargon, meinten aber das Gleiche wie Staranwalt Sur. Der hatte Druet als „Glied in der Produktionskette“ bezeichnet: beliebig „austauschbar“.