Hat sich im Kleinen im Saarland abgespielt, was sich vor gut hundert Tagen im Bund zugetragen hat? Anke Rehlinger hat einen Wahlkampf gewonnen, der ganz im Zeichen des Duells mit dem Ministerpräsidenten stand. Tobias Hans konnte Rehlinger nicht viel entgegensetzen. Zwar war er im Bund qua Amt präsenter als seine Herausforderin, aber das zählte im Saarland nicht viel. Hier überzeugte nicht nur ihre Persönlichkeit, ihre Geradlinigkeit, sondern auch, dass der SPD-Wirtschaftsministerin in den meisten Politikfeldern mehr Kompetenz zugeschrieben wurde. Einen Amtsbonus, in vielen Wahlen der Garant für den Wahlsieg auch ohne Charisma, gab es nicht.

Lag es also am Nachfolger Annegret Kramp-Karrenbauers? Konnte er seit März 2018 nicht in die Rolle wachsen, die seine Vorgängerin so souverän ausfüllte, dass sie sich für kanzlertauglich hielt? War Rehlinger die neue Kramp-Karrenbauer, ohne dass es die CDU gemerkt hätte?

Gegen die Schuldzuweisung an Hans spricht, dass es die Bundestagswahl war, die den Trend auch im Saarland änderte. Dieser Einbruch für die CDU kam nahezu überall, egal in welcher Konstellation. In manchen Ländern konnte sich die CDU danach wieder erholen, im Saarland nicht. Seither trudelte Tobias Hans einer Niederlage entgegen, die am Ende schlimmer kam als erwartet.

Rehlinger profitiert von Scholz

Der Grund dafür ist das Spiegelbild des Bundestrends. Hier wie dort gab es eine mangelhafte Zuschreibung von Kompetenz für die CDU und einen Spitzenkandidaten, der nicht mobilisieren und nicht überzeugen konnte. Hans erging es wie Laschet, nur dass er schon im Amt war.

Rehlinger hingegen war nicht die unterschätzte Kandidatin wie Olaf Scholz, aber sie profitierte von dessen Erfolg, der die Wechselstimmung im Saarland mit provozierte. Für Rehlinger kam ein Heimvorteil hinzu. Eine Konkurrenz von links gab es für sie nicht. Oskar Lafontaine dankte wenige Tage vor dem Wahltermin endgültig ab. Ein Geschenk und ein später Triumph für die SPD.

Auch die Grünen sind im Saarland schwach. Linke und bürgerliche Grünen-Wähler fühlten sich offenbar bei Rehlinger als saarländischer „Merkel“ besser aufgehoben als bei Hans. Dessen jugendliche Fortschrittlichkeit und Modernität wirkten nicht nur im bodenständigen Saarland etwas aufgesetzt und betulich. Auch das ist eine Parallele zur Bundestagswahl, in der es der CDU nicht gelungen war, die Merkel-Wähler zu halten.

Stürmische Bestätigung für den Machtwechsel im Bund

Das Saarland ist nur in einem Punkt ein untypisches Pflaster und verstößt gegen die Lehrbücher: Wenn eine große Koalition zehn Jahre lang regiert, sollte man meinen, dass die Opposition ein wenig stärker aus Wahlen hervorgeht. AfD, FDP, Grüne und Linke bringen es zusammen aber nicht einmal auf 20 Prozent. Im Bund liegt der Wert mehr als doppelt so hoch. So kommt der ungeteilte Erdrutsch an der Saar in Richtung SPD-pur zustande.

Auf diese Weise wird noch eine andere Lehre außer Kraft gesetzt. Die erste Landtagswahl nach der Bundestagswahl zeigt nicht eine korrigierende Gegenbewegung, sondern eine geradezu stürmische Bestätigung für den Machtwechsel im Bund. Das mag an der „Zeitenwende“ liegen, die dazu führt, dass sich viele Wechselwähler um die Regierung, um die Kanzlerpartei, um eine Persönlichkeit scharen.

Die CDU ist noch immer von der Rolle

Es hat aber auch mit dem negativen Nach-Merkel-Effekt zu tun, dem die CDU (und auch die CSU) bislang nichts entgegenzusetzen hat. Sie wirkt noch immer blass und ausgelaugt. Dass der Bundesverband das Saarland quasi kampflos aufgegeben hat, dass der Partei- und Fraktionsvorsitzende Friedrich Merz im Wahlkampf so gut wie unsichtbar blieb, lässt nicht darauf schließen, dass sie ein Gegenmittel gefunden hätte.

Merz wird das Saarland nicht vorschnell „abhaken“ können. Dazu liegt das Wahldebakel zu nahe an den Gründen für die Niederlage in der Bundestagswahl. Hans ist deshalb nicht sein eigenes Opfer, wie es das Adenauer-Haus gerne darstellen möchte. Er ist auch das Opfer einer CDU, die seit dem Bundestagswahlkampf von der Rolle ist.

Nach den nächsten Wahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen steht sicherlich wieder die jeweilige Kompetenz und Persönlichkeit von CDU-Ministerpräsidenten zur Debatte. Irgendwann geht es dann aber auch um die Ausstrahlung des CDU-Vorsitzenden, der es doch eigentlich viel besser machen wollte als Angela Merkel. Derzeit ist es Olaf Scholz, der ihm auch in dieser Hinsicht die Show stiehlt.