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Nach der Tötung des Afroamerikaners Daunte Wright bei einem Polizeieinsatz wirft die Staatsanwaltschaft der verantwortlichen Beamtin US-Medienberichten zufolge Totschlag zweiten Grades vor. Das habe der zuständige Staatsanwalt im Bezirk Washington im US-Bundesstaat Minnesota am Mittwoch entschieden, berichteten unter anderem der Sender CNN und die Zeitung „New York Times“.

Der weißen Ex-Polizistin Kim Potter könnten damit bis zu zehn Jahre Haft und eine Geldstrafe drohen. Totschlag zweiten Grades setzt „schuldhafte Fahrlässigkeit“ voraus. Potter hatte am Dienstag wegen des tödlichen Vorfalls ihre Kündigung eingereicht.

Auch der örtliche Polizeichef war zurückgetreten. Damit beginne hoffentlich eine neue Phase, sagte am Dienstag der Bürgermeister des Ortes Brooklyn Center im Norden der Stadt Minneapolis, Mike Elliott. In der Stadt war es nach dem Tod des Schwarzen namens Daunte Wright seit Sonntag zu Protesten gekommen.

Polizistin verwechselte offenbar Taser mit Pistole

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Gannon hatte am Montag erklärt, er gehe davon aus, dass Potter den 20-Jährigen bei einer Verkehrskontrolle versehentlich angeschossen hat. Nach ersten Erkenntnissen habe sie statt eines Elektroschockers (Taser) irrtümlich ihre Pistole gezogen, sagte er.

Die Polizisten kontrollierten Wright am Sonntag, weil die Zulassung seines Wagens abgelaufen war, wie es hieß. Dabei hätten sie festgestellt, dass ein Haftbefehl gegen den unbewaffneten Mann bestand, und ihn festnehmen wollen. Ein Video zeigt, wie sich Wright aus dem Griff der Beamten löst und wieder in sein Auto steigt. Eine Polizistin ruft daraufhin „Taser, Taser, Taser“ – hat aber eine Pistole in ihrer Hand. Daraufhin ist ein Schuss zu hören. Wright starb laut Autopsie infolge einer Schusswunde im Brustbereich.

Am Ort des Geschehens, in Brooklyn Center im Norden der Stadt Minneapolis, kam es nach dem Tod des 20-Jährigen in der Nacht zu Dienstag den zweiten Tag in Folge zu teils gewaltsamen Protesten. Auf Plakaten stand unter anderem: „Bin ich der Nächste?“, „Mord, Mord, Mord“ und „Black Lives Matter“ (auf Deutsch etwa: Schwarze Leben sind wichtig). Trotz nächtlicher Ausgangssperre waren Hunderte auf den Straßen.

Die Demonstrationen wurden teils zu gewalttätigen Ausschreitungen

Quelle: dpa/John Minchillo

Ein Demonstrant sitzt vor dem Brooklyn Center Police Department während eines Protests auf einer Straße

Quelle: dpa/John Minchillo

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Die Polizei setzte US-Medien zufolge Tränengas, Gummigeschosse und Blendgranaten ein, um die Proteste aufzulösen. Auch die Nationalgarde war im Einsatz. Rund 60 Menschen seien unter anderem wegen „Unruhestiftung“ festgenommen worden, sagte ein Polizeisprecher. Demonstranten hätten Beamte mit Steinen beworfen und auch Feuerwerk eingesetzt.

Bürgermeister Elliott sagte, dass erneut ein Schwarzer durch die Polizei getötet worden sei, sei „einfach unfassbar“. Er betonte: „Das hätte nicht zu einer schlechteren Zeit geschehen können.“

Biden wirbt für Polizeireform

US-Präsident Joe Biden erklärte zu Wrights Tod: „Die Frage ist, ob es ein Unfall oder Absicht war. Das muss noch geklärt werden.“ Er zeigte Verständnis für die Wut der Menschen. „Friedlicher Protest ist verständlich“, sagte Biden. Für Gewalt gebe es aber „absolut keine Rechtfertigung“. Der Demokrat hat den Kampf gegen den Rassismus zu einem seiner zentralen Anliegen erklärt. Er wirbt auch für die Verabschiedung eines nach George Floyd benannten Gesetzes für Polizeireformen, doch die Republikaner im Senat dürften dabei mauern.

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Mehr als 150 Jahre nach Abschaffung der Sklaverei und gut fünf Jahrzehnte nach der vollen rechtlichen Gleichstellung Schwarzer gibt es beim Thema Rassismus immer noch viel Aufholbedarf. Die strukturelle Benachteiligung der Minderheit, die rund 13 Prozent der Bevölkerung ausmacht, hat viele Facetten: Schwarze leben im Durchschnitt weniger lang, sind weniger gut gebildet und viel ärmer als Weiße. Zudem werden sie viel häufiger Opfer von Polizeigewalt.

Erst am Wochenende hatte ein anderer Fall für Empörung gesorgt: Ein Video zeigte zwei Polizisten, die bei einer Verkehrskontrolle einen schwarzen Leutnant der US-Streitkräfte schikanierten. Ein Beamter setzte Reizgas ein. Die Polizei in Windsor in Virginia entließ den Beamten, der Bundesstaat leitete eine Untersuchung ein.

Der Moderator der „Daily Show“, der aus Südafrika stammende Komiker Trevor Noah, brachte am Montagabend die Kritik vieler Schwarzer auf den Punkt: Es sei der Polizei egal, ob man Militärangehöriger oder schlicht ein geschätztes Mitglied der schwarzen Gemeinschaft sei. „Es ist ihnen egal, weil sie wissen, dass sie damit davonkommen. Und bis sich das ändert, wird es ihnen auch weiter egal sein.“