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Die Bundesregierung rechnet mit einem Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan bis zum September. Sie gehe „davon aus, dass wir das heute so beschließen werden“, sagte Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) am Mittwoch vor einer Sondertagung des Nordatlantikrates. Diese war nach der Festlegung der US-Regierung auf einen vollständigen US-Truppenabzug aus Afghanistan bis zum 11. September angesetzt worden. US-Präsident Joe Biden will den Truppenabzug am Mittwoch offiziell verkünden.

„Wir haben immer gesagt: Wir gehen gemeinsam rein, wir gehen gemeinsam raus“, sagte Kramp-Karrenbauer im ARD-„Morgenmagazin“. Nun gehe es darum, „dass wir unsere Planungen auch in der Nato mit den Planungen der USA synchronisieren“.

Außenminister Heiko Maas (SPD) reiste nach Brüssel, um persönlich an einem Treffen der Rahmennationen der Afghanistan-Mission „Resolute Support“ sowie am Nordatlantikrat teilzunehmen. Afghanistan soll auch Hauptthema eines Vierertreffens von Maas mit den Außenministern der USA und Großbritanniens sowie einem französischen Vertreter sein.

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Ein US-Regierungsvertreter hatte am Dienstag den 20. Jahrestag der Terroranschläge vom 11. September 2001 als Schlusspunkt des Abzugs der US-Soldaten genannt. Dieser werde noch vor dem 1. Mai eingeleitet.

Taliban warnen vor Aufschiebung des Abzugs

Die Taliban bestehen unterdessen auf dem Abzug aller US- und Nato-Truppen aus Afghanistan bis zum 1. Mai – also deutlich vor dem inzwischen von den USA genannten Termin am 11. September. Man strebe den Abzug aller ausländischen Streitkräfte zum per „USA-Taliban-Abkommen“ festgelegten Datum an, schrieb Taliban-Sprecher Zabihullah Mudschahid am Mittwoch auf Twitter. Falls die Vereinbarung gebrochen werde, würden sich die „Probleme verschärfen“. Mit Blick auf die USA und andere Truppensteller fügte er hinzu, dafür seien dann jene haftbar, die sie nicht eingehalten hätten.

Die Regierung von Ex-Präsident Donald Trump hatte im Februar 2020 in Doha ein Abkommen mit den radikalislamischen Taliban geschlossen, um den längsten Kriegseinsatz der US-Geschichte zu beenden. Die USA sagten darin einen Truppenabzug bis zum 1. Mai 2021 zu - im Gegenzug sollen die Taliban unter anderem alle Verbindungen zum Terrornetzwerk Al Qaida kappen. Friedensverhandlungen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban laufen seit September im Golfemirat Katar. Sie waren zuletzt aber ins Stocken geraten.

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Die USA waren nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in Afghanistan einmarschiert. Zwischenzeitlich waren rund 100.000 US-Soldaten am Hindukusch im Einsatz. Derzeit sind es nach offiziellen Angaben noch rund 2500 US-Soldaten. Die Bundeswehr beteiligt sich mit etwa 1100 Soldaten am Nato-geführten Einsatz in dem Bürgerkriegsland.

Viele Beobachter fürchten neues Chaos in Afghanistan nach einem Abzug der westlichen Truppen. De facto kontrollieren die Taliban bereits etwa die Hälfte des Landes. Unter anderem im Waghaz-Distrikt haben sie ein (nicht-anerkanntes) islamisches Emirat geschaffen. Mädchen dürfen dort zwar mittlerweile zur Schule gehen, werden aber, genau wie Jungs, einzig in Koranstudien unterrichtet.

Die Türkei kündigte am Dienstag Friedensgespräche für Afghanistan vom 24. April bis 4. Mai in Istanbul an. Die Konferenz solle die inner-afghanischen Verhandlungen „beschleunigen und ergänzen“. Die Taliban wollen das Treffen jedoch boykottieren.

„Bis nicht alle ausländischen Truppen vollständig aus unserer Heimat abgezogen sind, sind wir nicht bereit, an irgendeiner Konferenz teilzunehmen, bei der Entscheidungen über Afghanistan getroffen werden sollen“, erklärte Taliban-Sprecher Mohammad Naeem.