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Die Auferstehung erfolgte mit Verspätung. Am Dienstag nach Ostern schoss die Zahl der in Deutschland verimpften Dosen plötzlich auf weit über eine halbe Million – doppelt so viel wie eine Woche zuvor.

Und so ging es weiter: Von Montag bis Freitag kam Deutschland auf 2,6 Millionen Impfungen – das war ein Plus von mehr als 70 Prozent zur Vorwoche. Deutschland als globaler Impf-Versager, das gehört beim Blick auf die europäischen und weltweiten Zahlen inzwischen der Vergangenheit an.

Zu Beginn dieser Woche lag die Zahl der täglich Geimpften zwar mit knapp 400.000 wieder niedriger. Allerdings fallen die Zahlen am Montag üblicherweise geringer aus; zudem scheinen die Hausärzte gerade auf Impfstoff zu warten: Zu Wochenanfang werden rund eine Million Biontech-Dosen in die Praxen geliefert. Die Zahlen dürften im Laufe der Woche daher voraussichtlich wieder steigen. Deutschland beschleunigt – und ein Blick auf andere Länder zeigt, dass diese Beschleunigung auch im internationalen Vergleich erstaunlich groß ist.

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Der zentrale Grund dafür ist, dass seit vergangener Woche auch Hausärzte impfen, inzwischen sind es 45.000 Praxen in Deutschland. Andere Länder wie Polen oder Frankreich waren diesen Schritt deutlich früher gegangen.

Schon zuvor allerdings impfte Deutschland im internationalen Vergleich nicht so langsam, wie es hierzulande oft wahrgenommen wurde. Im Vergleich mit den globalen Impf-Champions Großbritannien, USA und Israel hinkte die Bundesrepublik zwar extrem hinterher. Dies liegt im Kern aber vor allem daran, dass diese Länder deutlich früher deutlich mehr Impfstoff bestellt haben.

Quelle: Infografik WELT

In Relation zu den meisten anderen großen Staaten der Erde liegt die Bundesrepublik schon seit Beginn der Impfkampagne relativ gut im Rennen. Nach dem Sprung der vergangenen Woche belegt Deutschland im Vergleich der 30 bevölkerungsreichsten Staaten der Welt den vierten Rang.

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Auf den ersten beiden Plätzen liegen Großbritannien und die USA, die rechnerisch mehr als doppelt so viele Impfdosen pro 100 Einwohner verabreicht haben wie Deutschland. Diese beiden Länder sind es vor allem, die die EU bei der Bestellung der Impfstoffe westlicher Hersteller ausgestochen hatten.

Auf dem dritten Platz liegt, knapp vor Deutschland, die Türkei. Diese hatte vor allem unter Nutzung chinesischer Vakzine – deren im Vergleich zu den in Deutschland verimpften Vakzinen geringe Wirksamkeit inzwischen sogar in Peking eingeräumt wurde – ein sehr hohes Impftempo vorgelegt. Zuletzt aber war die Geschwindigkeit in der Türkei nicht mehr mit der in Deutschland vergleichbar, sodass die Bundesrepublik das Land bald überholen dürfte.

Nun sind unter den größten 30 Ländern der Erde sehr unterschiedlich entwickelte Länder – und Deutschlands Ansprüchen dürfte es kaum genügen, besser als Schwellenländer in Asien und Afrika zu sein. Aber auch innerhalb der OECD-Staaten, der 37 Staaten umfassenden Gruppe der demokratischen Industrieländer, liegt Deutschland ganz gut im Rennen: Aktuell steht Deutschland in dieser Rangliste auf Platz 14.

Quelle: Infografik WELT

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Insgesamt sind nur fünf Länder deutlich weiter mit dem Impfen als die Bundesrepublik: Israel, Großbritannien, die USA, Ungarn und Chile. Denn ab Platz sechs sind die Abstände sehr klein. Und wenn man das Impftempo der vergangenen Woche betrachtet, liegt Deutschland unter den OECD-Ländern inzwischen auf Platz sechs – und dürfte, sollte die Entwicklung der vergangenen Woche sich fortsetzen, schnell aufholen.

Quelle: Infografik WELT

Im globalen Vergleich spielt nicht zuletzt die Frage eine entscheidende Rolle, wie viel Impfstoff ein Land überhaupt bestellt und inzwischen schon geliefert bekommen hat. In der EU aber, die ihren Impfstoff gemeinsam bestellt hat, ist dieser Faktor bei allen Staaten annähernd gleich – womit sich vergleichen lässt, welches Land den verfügbaren Impfstoff zu einem gegebenen Zeitpunkt am schnellsten verabreicht.

Auch hier bietet sich ein ähnliches Bild: Deutschland hat in den vergangenen Wochen aufgeholt, liegt inzwischen auf Platz neun. Aber nur der Zwergstaat Malta und Ungarn, das auch russischen und chinesischen Impfstoff eingekauft hat, liegen deutlich vor der Bundesrepublik.

Quelle: Infografik WELT

Bei der Impfgeschwindigkeit der vergangenen Woche aber liegt Deutschland unter allen EU-Ländern hinter Malta und Ungarn auf dem dritten Platz, sodass die Bundesrepublik schnell aufholen könnte.

Hoffnung auf einen schnellen Impffortschritt macht nicht nur, dass nun auch die Hausärzte mit Impfstoff beliefert werden, sondern auch eine Änderung der Vorratshaltung bei den Impfstoffen. Seit Anfang April wendet Deutschland eine Praxis an, die sich in anderen europäischen Ländern schon lange als erfolgreich erwiesen hat: möglichst wenig Impfstoff auf Lager zu halten.

Quelle: Infografik WELT

Noch im Februar und März empfahl das Bundesgesundheitsministerium den Bundesländern, Impfdosen im großen Stil zurückzustellen. Man müsse im Falle von Lieferausfällen genügend Vorrat für Zweitimpfungen haben, hieß es. Deshalb legten sich die Länder hohe Lagerbestände hin: 20 bis 25 Prozent des gelieferten Biontech-Vakzins und 50 Prozent des Moderna-Vakzins wurden pauschal in die Kühlschränke gelegt. Das hat Anfang des Monats zu einem Rekord-Rückstau von 4,7 Millionen Impfdosen geführt. Eine Strategie, die in anderen europäischen Ländern schon viel früher als falsch erkannt wurde.

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Dänemark hält kaum Dosen zurück

„Wir haben nur in den ersten drei Wochen pauschale Mengen Impfstoff für die zweite Dosis zurückgehalten. Seitdem halten wir bis zur nächsten Lieferung nur so viel zurück, wie es in der folgenden Woche auch Termine für Zweitimpfungen gibt“, sagt etwa Marie Jesse, stellvertretende Staatssekretärin im estnischen Sozialministerium, WELT. Estlands Impfquote liegt seit Mitte Februar kontinuierlich über der Deutschlands. Mittlerweile beträgt der Vorsprung vier Prozentpunkte. Der Vakzin-Rückstau des Landes beträgt gerade einmal 17 Prozent.

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Auch in Dänemark werden fast keine Impfdosen zurückgehalten. „Wir verimpfen alles, was wir bekommen, innerhalb von zwei bis drei Tagen“, sagt Steen Dalsgård Jespersen, der Verantwortliche für die Impflogistik im dänischen Gesundheitsministerium. Einzig vom Moderna-Vakzin halte man eine kleine pauschale Menge zurück. Ansonsten vertraue man auf die Lieferzusagen der Hersteller. Sollte sich dennoch eine Lieferung verspäten, müsse man eben Termine absagen.

Aber: „Das ist ein Risiko, das wir bereit sind, einzugehen, um schnell impfen zu können“, so Jespersen im Gespräch mit WELT. Diese Risikobereitschaft zahlt sich aus. Nur elf Prozent aller gelieferten Impfdosen liegen in Dänemark auf Halde. Auch die Impfquote war bis Anfang April höher als die Deutschlands.

Bislang lag der Anteil der unverimpften Dosen durchschnittlich bei 25 Prozent. In der ersten Aprilwoche rutschte der Wert auf 18,5 Prozent. Das dürfte am Einsatz der Hausärzte liegen. Aber nun dürfte auch die überarbeitete Empfehlung des Gesundheitsministeriums zur Anwendung kommen, auf das Zurückstellen von Impfdosen „weitestmöglich“ zu verzichten. Das ergab eine Anfrage von WELT bei allen 16 Bundesländern.

Niedersachsen, Thüringen, Hamburg und Bremen halten demnach keinerlei Impfstoff mehr pauschal zurück. Die Lagermengen orientierten sich strikt an der Menge der Termine für Zweitimpfungen, wie die jeweiligen Gesundheitsministerien auf Anfrage mitteilten. In Nordrhein-Westfalen seien die Vorräte von AstraZeneca und Moderna „so gut wie“ aufgebraucht, die Rückstellungen des Biontech-Vakzins würden gerade „massiv“ abgebaut.

Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern halten nur 20 bis 25 Prozent des Moderna-Impfstoffs pauschal zurück, die restliche Vorratshaltung orientiere sich an der Terminlage. Nur Sachsen, Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt haben die Empfehlung des Gesundheitsministeriums noch nicht umgesetzt und halten weiter große Mengen Impfdosen auf Lager.

Bayern legt sich nach Angaben des dortigen Gesundheitsministeriums 14.000 Dosen Biontech für Zweittermine und „zum Ausgleich möglicher Lieferausfälle“ in den Kühlschrank. Berlin, Brandenburg und Hessen waren auf Anfrage nicht erreichbar.