Ein langer Anlauf und dann ein kurzer Sprint ganz nach oben: 71 Auftritte benötigte Scottie Scheffler auf der PGA Tour, ehe ihm vor sieben Wochen in Arizona sein erster Sieg gelang – und danach nur 42 Tage, in denen ihm zwei weitere Erfolge gelangen, um zur Nummer eins der Golf-Weltrangliste aufzusteigen. Zum Vergleich: Tiger Woods brauchte nach seinem ersten Sieg 252 Tage, um in der Hackordnung ganz nach oben zu klettern.

Am Sonntag gewann Scheffler, 25 Jahre alt, sein Heimspiel in Austin (Texas), der Stadt, in der er vier Jahre für das Golfteam Longhorns der University of Texas gespielt und oft auf dem Platz des Austin Country Club trainiert hatte. Der 1,91 große, 91 Kilogramm schwere Profi aus Dallas besiegte im Finale der World Golf Championships – Dell Technologies Match Play seinen amerikanischen Landsmann Kevin Kisner 4&3 (vier mehr gewonnene Löcher, bei drei noch zu spielenden), der dritte Sieg bei seinen vergangenen fünf Auftritten auf der PGA Tour. Er kassierte dafür 2,1 Millionen Dollar Preisgeld und schraubte seinen Verdienst in diesen Wochen auf 6,2 Millionen. Kein anderer Profi hat in dieser Saison der PGA Tour so häufig triumphiert und so viel Preisgeld verdient.

Aber vielleicht noch wichtiger: Scheffler kletterte damit von Rang fünf im Ranking auf eins und stieß den Spanier Jon Rahm nach 36 Wochen vom Thron. Jenen Konkurrenten also, den er beim Ryder Cup im September vorigen Jahres im Einzel überraschend mit 4&3 besiegt hatte. Rahm war im Achtelfinale am ersten Extraloch an dem Amerikaner Brooks Koepka gescheitert und hatte damit die Tür für den Aufstieg Schefflers geöffnet.

Der neue Primus, der 25. in der Geschichte des 1986 eingeführten „Official Golf World Ranking“, fand selbst, dass dieser Spitzenplatz für ihn nie in Reichweite schien. „Es ist nichts, das ich erreichen wollte oder an das ich geglaubt habe“, sagte er. „Ich bin damit aufgewachsen, in langen Hosen zum Training zu gehen, weil ich Profigolfer werden wollte. Ich habe davon geträumt, auf der PGA Tour zu spielen.“

„Scottie spielt derzeit wohl das beste Golf auf dem Planeten“

Doch am Sonntag spielte er so dominant, wie man es vom Besten der Welt erwartet. Erst besiegte er im Halbfinale den Amerikaner Dustin Johnson 3&1, ehe er im Endspiel Kisner nicht den Hauch einer Chance ließ. Am Sonntag lag Scheffler bei den 57 gespielten Löchern kein einziges Mal zurück – und das gegen zwei Gegner, die bis dahin in all ihren Matches gesiegt und diese von allen großen Turnierserien gewertete Veranstaltung einmal gewonnen hatten (Johnson 2017, Kisner 2019). Scheffler hatte dagegen in der Vorrunde in den Gruppenspielen gegen den Engländer Tommy Fleetwood verloren und musste sich erst am sechsten Loch im Play-off gegen den Engländer Matt Fitzpatrick für die K.-o.-Runde qualifizieren.

Doch je länger das Turnier dauerte, umso mehr glänzte Scheffler. Im Finale konnte Kisner kein einziges Loch für sich entscheiden, eine Überlegenheit, die der 38 Jahre alte Profi aus Aiken (South Carolina) fair anerkannte. „Scottie spielt derzeit wohl das beste Golf auf dem Planeten.“ Der Kanadier Corey Conners besiegte im Spiel um Platz drei Dustin Johnson 3&1.

„Ich spiele einfach nur Golf“

„Mir schwirrt der Kopf. In meinen Träumen bin ich nie so weit gekommen“, sagte Scheffler bei der Siegerehrung, ehe ihn Freudentränen zu einer kleinen Pause zwangen. „Ich spiele einfach nur Golf. Ich liebe Wettkämpfe. Ich bin einfach nur glücklich, hier draußen zu sein“, fügte er an, nachdem er erst seine Ehefrau Meredith, danach seine Eltern, seine drei älteren Schwestern und etliche weitere Bekannte umarmt hatte. „Es waren verrückte Monate. Ich weiß nicht, wie ich meine Gefühle beschreiben soll. Ich wollte dieses Turnier unbedingt gewinnen“, sagte Scheffler. Denn im Vorjahr hatte er es ebenfalls bis ins Finale geschafft, war dann aber seinem Landsmann Billy Horschel unterlegen, einem Konkurrenten, den er diesmal in der Vorrunde besiegte.

Die Finalteilnahme 2020 gehörte zu den zahlreichen Ereignissen, die schon lange darauf hingedeutet hatten, dass Scheffler es in die absolute Weltspitze schaffen würde. Schon als Junior gehörte er zu den Besten der Welt, gewann die amerikanische Junioren-Meisterschaft. Mit 17 Jahren durfte er erstmals auf der PGA Tour spielen – schaffte gemeinsam mit seinem Mitspieler Kisner schlaggleich den Cut. 2019 überstand er die „Qualifying School“ für die zweite amerikanische Liga, die Korn Ferry Tour, und siegte gleich in seiner ersten Saison zweimal. Auf der PGA Tour hatte er zwar immer wieder für Schlagzeilen gesorgt, wie etwa mit einer Runde von 59 Schlägen vor zwei Jahren bei der Northern Trust Open. Der endgültige Durchbruch gelang ihm jedoch nicht.

Am Donnerstag nächster Woche beginnt in Augusta (Georgia) das Masters, das erste Major des Jahres – und Scheffler gehört natürlich zum engeren Favoritenkreis, auch wenn er sagt: „Ich fühle mich nicht wie die Nummer eins in der Welt. Ich fühle mich noch genauso wie vor vier Monaten, und ich hoffe, dass sich das nicht ändert.“