„Schnauze voll“ ist im politischen Berlin schon ein ziemlicher Kraftausdruck. Häufig ist das nicht zu hören, jedenfalls nicht am Pult der Bundespressekonferenz. Aber es kommt auch nicht häufig vor, dass eine Partei derart abstürzt, wie die Linke im Saarland. 10,3 Prozentpunkte hat sie verloren, landete nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis bei 2,6 Prozent.

Helene Bubrowski

Politische Korrespondentin in Berlin.

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Johannes Leithäuser

Politischer Korrespondent in Berlin.

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Die Erschütterung war den beiden Parteivorsitzenden am Montag anzumerken. „Ich würde jetzt mal sagen, der Grad bei uns beiden von ‚Schnauze voll‘ ist relativ hoch“, sagte Susanne Hennig-Wellsow. Aber hinwerfen will sie dennoch nicht. Vor einem guten Jahr wurde sie zusammen mit Janine Wissler zur Parteivorsitzenden ge­wählt. Sie hätten sich entschieden, die Weiterentwicklung der Partei Die Linke auf den Weg zu bringen, sagte Hennig-Wellsow. „Da sind wir jetzt mittendrin.“

Querschüsse in der Russlandfrage

Wissler sprach von einem „desas­trösen Ergebnis“ und einem „bitteren Abend“. Nun ist Hessen, die politische Heimat Wisslers, das einzige Flächenland in Westdeutschland, das eine Linksfraktion im Landtag hat. Die saar­ländische Linke sei zerstritten ge­wesen, so Wissler, das habe das Programm völlig überlagert. „Eine Partei der Solidarität wird nur ernst genommen, wenn sie miteinander und untereinander solidarisch ist“, sagte Wissler.

Zehn Tage vor der Landtagswahl war Oskar Lafontaine, der ehemalige Fraktionsvorsitzende der Linken und einer der bekanntesten Politiker des Landes, aus der Partei ausgetreten. In seiner Er­klärung hatte er den Genossen noch vorgeworfen, die Interessen der Arbeitnehmer und Rentner nicht mehr in den Mittelpunkt zu stellen. Er ist damit ei­nem Ausschlussverfahren zuvorgekommen, weil er im Herbst dazu aufgerufen hatte, die Partei nicht zu wählen.

Wissler bemühte sich am Montag klarzustellen, dass die Linke sehr wohl die „soziale Frage“ im Blick habe. Dem Vorwurf, die Linke kümmere sich zu stark um identitätspolitische Fragen, entgegnete sie, dass der Kampf für so­ziale Gerechtigkeit und jener für die Rechte von Minderheiten untrennbar verbunden seien.

„Wir bemühen uns redlich, eine Einigkeit herzustellen“

Das Saarland ist aber nicht der einzige Grund für das Gefühl von „Schnauze voll“ bei den Parteivorsitzenden. Streit gibt es auch auf Bundesebene. Ge­rade in der Russlandfrage kommt es immer wieder zu Querschüssen. Die Partei- und Fraktionsvorsitzenden hatten nach dem Überfall auf die Ukraine den „völkerrechtswidrigen Angriffskrieg“ verurteilt. Doch der Ältestenrat der Partei warf vor ein paar Tagen die Frage auf, inwiefern der Krieg ein „in­nerer Bürgerkrieg der Kräfte in den neuen Ost-Staaten und faschistischen Elementen im Raum der Westukraine“ sei. Eine Gruppe von Abgeordneten um Sahra Wagenknecht, die Ehefrau Lafontaines, gab dem Westen eine Mitverantwortung für die Eskalation.

„Wir bemühen uns redlich, eine Einigkeit trotz aller Unterschiedlichkeiten herzustellen“, sagte Hennig-Wellsow. Sahra Wagenknecht sei „einfaches Mitglied der Fraktion“. „Wir bestimmen die Po­si­tion der Linken zusammen, Wagenknecht spricht für sich selbst“. Hennig-Wellsow legte nahe, sie weniger in Talkshows einzuladen.

Auch die AfD, die als einzige der kleineren Parteien Sitze im neuen saarländischen Landtag gewonnen hat, war am Montag mit ihrem Ergebnis unzufrieden. Es blieb in Berlin allerdings ihrem saarländischen Landesvorsitzenden Christian Wirth vorbehalten, diese Einschätzung zu verkünden. Der AfD-Bundesvorsitzende Tino Chrupalla, der gemeinsam mit Wirth vor Berliner Journalisten auftreten wollte, wurde nicht zur Bundespressekonferenz zugelassen, da er nicht den Nachweis des dazu notwendigen 2-G-Corona-Status erbringen konnte.

Wirth hingegen ge­stand zu, auch seine Partei habe durch interne Streitigkeiten Wähler abgeschreckt; auch die Einstufung der AfD als Verdachtsfall durch den Verfassungsschutz habe einen negativen Einfluss gehabt.