Die chinesische Wirtschafts- und Finanzmetropole Schanghai hat mit dem Lockdown für ihre mehr als 26 Millionen Einwohner begonnen. Das öffentliche Leben wird wegen der steigenden Zahl von Corona-Neuinfektionen in zwei Stufen von diesem Montag an bis zum 5. April heruntergefahren.

Brücken und Tunnel wurden schon geschlossen, der Autobahnverkehr eingeschränkt. „Die Eindämmung des großflächigen Ausbruchs in unserer Stadt ist sehr wichtig, denn sobald die infizierten Menschen unter Kontrolle gebracht wurden, haben wir die Übertragung blockiert“, verteidigte Wu Fan vom Corona-Expertenteam der Stadt die Entscheidung. Sie kündigte zudem Massentests an. Allein für Sonntag wurden in Schanghai 3450 asymptomatische Corona-Fälle gemeldet. Das entspricht fast 70 Prozent aller Neuinfektionen in China. Die chinesische Regierung fährt eine strikte Null-Covid-Strategie.

Motor der Weltwirtschaft stottert

Die deutsche Wirtschaft befürchtet wegen des Corona-Lockdowns in der chinesischen Metropole Schanghai schwerwiegende Folgen. „Die Stimmung unter den deutschen Unternehmern ist vor dem Hintergrund des neuerlichen Lockdowns und von ohnehin gedämpften Wachstumserwartungen merklich eingetrübt“, sagte der Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Volker Treier, am Montag der Nachrichtenagentur Reuters. „China als wichtiger Motor der Weltwirtschaft scheint ins Stottern zu geraten.“ Aufgrund von Lockdowns seien in wichtigen Wirtschaftsregionen wie Shenzhen oder Dongguan bereits Produktionen gedrosselt sowie Häfen geschlossen worden. „Hinzu kommt jetzt der flächendeckende Lockdown in Schanghai“, sagte Treier.

„Insbesondere die oft unvorhersehbaren und über Nacht implementierten Maßnahmen machen den Unternehmen vor Ort zu schaffen“, sagte der Delegierte der deutschen Wirtschaft in Schanghai, Maximilian Butek, zu Reuters. Zudem schlage sich der Lockdown mittlerweile auch auf Unternehmen in den benachbarten Provinzen spürbar nieder. „Waren können nicht mehr über die Stadtgrenzen hinaus transportiert werden, Kundenbesuche sind unmöglich“, sagte der Experte.

Schanghai als bedeutendes Wirtschaftszentrum Chinas sei tief in den globalen Lieferketten integriert. „So ist durch den Lockdown nicht nur mit Auswirkungen auf die chinesischen, sondern auch auf die globalen Lieferketten zu rechnen“, warnte Butek. „Die bereits angespannte Situation in den Bereichen Logistik und Lieferketten wird durch den aktuellen Lockdown nun weiter verschärft.“ China ist seit 2016 wichtigster deutscher Handelspartner: Zwischen beiden Ländern wurden allein im vergangenen Jahr Waren im Wert von 245,4 Milliarden Euro gehandelt.

Tesla will Produktion stoppen

Der amerikanische Elektroautobauer Tesla unterbricht seine Produktion in Schanghai nun für vier Tage, wie zwei mit der Angelegenheit vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters sagten. Mitarbeiter wie auch Zulieferer seien informiert worden. Der chinesische Chiphersteller Semiconductor Manufacturing sagte dagegen, dass der Betrieb in seinen Fabriken in Schanghai bislang normal verlaufe.

Die Stadtverwaltung hatte am Sonntag überraschend angekündigt, den Betrieb öffentlicher Verkehrsmittel einzustellen. Mitarbeiter der meisten Unternehmen dürften nur noch im Homeoffice arbeiten. Ausgenommen seien öffentliche Dienste und die Lebensmittelversorgung. Die Bezirke östlich des Huangpu-Flusses sollen zwischen dem 28. März und dem 1. April abgeriegelt und getestet werden. Die westlichen Bezirke folgen vom 1. bis zum 5. April.

Noch am Samstag war ein Lockdown von Experten ausgeschlossen worden. „Warum kann Schanghai nicht abgeriegelt werden? Weil es nicht nur eine Stadt mit Anwohnern ist, sondern auch eine Stadt mit einer äußerst wichtigen Rolle in Chinas Wirtschaft“, hatte Wu Fan, ein Experte des führenden Expertenteams für Epidemiebekämpfung der Stadt gesagt.

Der nach den USA zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt macht das Wiederaufflammen der Corona-Pandemie zu schaffen. Die Ausbreitung der hochinfektiösen Omikron-Variante hat in diesem Monat bereits wichtige Produktionszentren wie Shenzhen und Dongguan getroffen. Dort standen in vielen Werken die Bänder still – von Fabriken für den Bau von Computer-Zubehör wie Flash-Laufwerken bis hin zu Autoteilen. Auch an wichtigen Handelshäfen stauen sich die Schiffe wieder zunehmend.

Mit dem Lockdown von Shanghai dürften auch die Sorgen der deutschen Wirtschaft vor Material- und Lieferengpässen zunehmen. Schließlich ist China ihr mit Abstand wichtigster Handelspartner: Zwischen beiden Ländern wurden im vergangenen Jahr Waren im Wert von 245,4 Milliarden Euro gehandelt und damit 15,1 Prozent mehr als im ersten Corona-Jahr 2020.

Finanzunternehmen zahlen Übernachtungsprämien

Banken, Broker und Fondsmanager in Schanghai haben ihre Mitarbeiter am Montag eilig ins Büro beordert, bevor heute um 5 Uhr morgens Lokalzeit der Lockdown in Kraft getreten ist. In der ersten Phase wird der Bezirk Pudong abgesperrt, in dem eine Vielzahl in- und ausländischer Finanzinstitute sowie die Schanghaier Börse angesiedelt sind. Einige bitten ihre Mitarbeiter, sich darauf einzustellen, einige Tage im Büro zu übernachten, um den Betrieb aufrechterhalten zu können. Die chinesische Metropole will mit der Abriegelung des öffentlichen Lebens den stärksten Covid-Ausbruch seit Beginn der Pandemie Anfang 2020 eindämmen.

Wie zu hören ist, haben unter anderem Bank of Communications Co., Huatai Securities Co. und HFT Investment Management Co. Mitarbeiter aufgefordert, ins Büro zu kommen, um nicht vom Lockdown betroffen zu sein. Ein Fondsmanager bietet nach Angaben informierter Kreise 2.000 Yuan (285 Euro) Prämie pro Büro-Übernachtung an Wochentagen und 4.000 Yuan am Wochenende. Huatai Securities, Bocom und HFT waren nicht zu umgehenden Stellungnahmen in der Lage.