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Erstmals in ihrer 356 Jahre langen Geschichte hat die Handelskammer Hamburg am Mittwochabend gemeinsam mit dem Ersten Bürgermeister und mit mehreren Mitgliedern des Senats getagt. Neben Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) waren Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD), Finanzsenator Andreas Dressel (SPD), Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos) und der Chef der Senatskanzlei, Jan Pörksen (SPD) Gast bei der außerordentlichen Sitzung des Kammerplenums.

Das habe es nicht mal während historischer Krisen wie dem großen Brand von 1842 oder der Sturmflut von 1962 gegeben, sagte Kammerpräses Norbert Aust. Die besondere Sitzung zeige, wie ernst die Situation der Hamburger Wirtschaft sei. Laut aktueller Konjunkturumfrage der Handelskammer befänden sich rund ein Drittel der Unternehmen in einer schlechten Lage. Neben den Unternehmen aus Tourimmus, Gastronomie, Medien, Kultur und Veranstaltungsgewerbe treffe es besonders hart die Gruppe der Soloselbstständigen, sagte Aust.

„Die Hamburger Wirtschaft leistet bereits von Anfang an einen großen Solidarbeitrag in dieser Krise. Wir müssen gemeinsam Maßnahmen finden, mit denen zugleich die Krise beendet und die dringend notwendigen Perspektiven für die Wirtschaft eröffnet werden können“, sagte Aust. „Wir brauchen jetzt eine Ermöglichungskultur mit innovativen Lösungen und viel Pragmatismus.“ Die Handelskammer wolle entsprechende Konzepte für Modellprojekte in einer Arbeitsgruppe entwickeln. Sobald die Infektionsdynamik dies zulasse, wollen Senat und Handelskammer über Möglichkeiten der Umsetzung beraten.

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Bürgermeister Tschentscher sagte, bei allem verständlichen Druck seien Öffnungen „erst bei niedrigeren Inzidenzwerten als derzeit“ möglich: „Wir müssen runter von diesem sehr hohen Infektionsniveau.“

Senat und Handelskammere versicherten sich gegenseitig ihres Kooperationswillens. Der Senat will sich vor allem dafür starkmachen, die finanziellen Hilfen des Landes und des Bundes zeitlich auszuweiten und sie auf eine breitere Grundlage zu stellen. „Seit dem Beginn der Corona-Krise haben betroffene Firmen und Soloselbstständige mehr als 1,5 Milliarden Euro an Wirtschaftshilfen durch den Hamburger Corona-Schutzschirm und die Hilfen des Bundes erhalten. Eine ähnliche Summe steht auch jetzt zur wirtschaftlichen Krisenbewältigung in Hamburg bereit“, sagte Tschentscher.

Gemeinsam setzen sich Senat und Handelskammer dafür ein, die Hilfsprogramme bis zum Jahresende „bedarfsgerecht fortzusetzen“. Der in Vorbereitung befindliche Härtefallfonds soll breit aufgestellt werden, damit alle Unternehmen und Soloselbstständigen, die bei den Bundesprogrammen leer ausgegangen und in akuter Not sind, dennoch eine Chance auf Hilfe haben. Senat und Handelskammer wollen sich in Ergänzung der umfangreichen steuerlichen Hilfen gemeinsam für eine Ausweitung des Verlustrücktrages einsetzen, was kurzfristig mehr Liquidität für Unternehmen bedeuten würde.

Um einen Totallockdown zu vermeiden, müssen so viele Hamburger Unternehmen wie möglich testen

Peter Tschentscher, Erster Bürgermeister Hamburgs

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Umgekehrt erwartet der Senat von den Hamburger Unternehmen deutlich mehr Engagement beim testen jener Mitarbeiter, die zwingend in ihrem Büro oder an ihrem jeweiligen Arbeitsplatz sein müssen. „Um einen Totallockdown zu vermeiden, müssen so viele Hamburger Unternehmen wie möglich testen“, sagte Tschentscher. Die Unternehmen sollten dabei auch auf die kommunalen Schnelltestzentren zugehen und günstige Pauschalangebote für ihre Mitarbeiter aushandeln. Auch die Ausbildung von Testexperten in den Unternehmen werde die Stadt untrerstützen.

Die Handelskammer setzt darauf, dass durch eine Vielzahl von Tests und später auch von Impfungen in den Unternehmen auf die Firmen keine weiteren zusätzlichen Belastungen und Kosten zukommen. Sie erwartet entsprechende Hilfen von Hamburg und vom Bund. Die bundespolitisch beschlossene Angebotspflicht von betrieblichen Tests sieht die Handelskammer kritisch: „Die allermeisten Unternehmen bieten Tests bereits freiwillig an“, heißt es in einer Stellungnahme zu der Plenarsitzung.

Einig sind sich Kammer und Senat darin, dass die Pandemie als Chance genutzt werden soll und muss, die Strukturen der Hamburger Verwaltungen und auch der Wirtschaft weiter zu modernisieren, etwa durch verstärkte Digitalisierung. Vizepräses Niels Pirck forderte, den Hafen als Innovationstreiber etwa für einen besseren Klimaschutz weiterzuentwickeln und Hamburg insgesamt bei der Entwicklung von Hochtechnologien stärker zu fokussieren: „Das bisherige Prinzip des ,Gemischtwarenladens‘ bei der Technologieförderung bringt uns nicht weiter.“