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Der Machtkampf zwischen Armin Laschet und Markus Söder um die Kanzlerkandidatur ist eine ernste Sache, und eine wichtige Gemeinsamkeit droht im Ringen der Parteichefs unterzugehen. Beide sind versierte Karnevalisten – und als solche verstehen sie sich auf die Kunst des lustvollen Stichelns. Dienstagnachmittag, Kräftemessen im Plenarsaal des Reichstags: Die beiden Parteichefs werben vor den Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion für ihre Kandidaten-Ambitionen – und weisen genüsslich auf die Schwächen des anderen hin.

Söder spielt auf Laschets schwache Umfragewerte an, Laschet ruft spitzzüngig Söders politische Kehrtwenden in Erinnerung und zeigt sich genervt von dessen „One-Man-Show“ – so erfährt es die Nachrichtenagentur AFP von Teilnehmern. 

Es war Söder, der den Showdown mit Laschet vor der Fraktion im Plenarsaal des Bundestags erzwungen hatte. In der Parteispitze der CDU hatte er am Vortag für seine angestrebte Kanzlerkandidatur nicht die erwünschte Unterstützung gefunden. Söders Weg zur Kanzlerkandidatur, sollte es einen solchen Weg überhaupt noch geben, führt also über die Fraktion: Denn er genießt Unterstützung auch bei Bundestagsabgeordneten der CDU. In der Sitzung am Dienstag sprechen sich denn auch nach AFP-Informationen mehrere CDU-Parlamentarier offen für Söder aus.

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Bereitschaft zum Einlenken im Machtkampf um die Kanzlerkandidatur zeigen weder Söder noch Laschet, wie Teilnehmer berichten. Laschet eröffnet die Aussprache – und schenkt dem CSU-Chef ein vergiftetes Lob: Er habe Söder dafür gewürdigt, dass er vor einigen Jahren „bei der AfD die Kehrtwende rechtzeitig geschafft“ habe, wird der CDU-Chef von Anwesenden zitiert. 

Damit spielt Laschet darauf an, dass Söder zeitweise massive Kritik an der Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin geübt hatte. Damals war ihm Anbiederung an die AfD vorgeworfen worden. Der CDU-Chef nimmt auch Söders unverhohlenes Interesse an einer schwarz-grünen Koalition aufs Korn: „Wir dürfen nicht grüner werden als die Grünen.“ Das würde gerade im Osten die Unionswähler Richtung AfD treiben.

Laschets Sticheleien richten sich an eine Zielgruppe, die sich bei ihrer Präferenz für den einen oder anderen Kandidaten auch von anderen Erwägungen leiten lässt als die loyalen CDU-Spitzengremien: die CDU-Abgeordneten im Bundestag. Viele von ihnen treibt derzeit eine Frage um: Mit welchem Spitzenkandidaten habe ich mehr Chancen, mein Bundestagsmandat nach der Wahl im September zu behalten?

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Söder liefert ihnen in der Sitzung die Antwort. „Wenn Umfragen lange stabil sind, wird das bei der Wahl nicht viel anders sein“, sagt der CSU-Chef laut Teilnehmern. „Umfragen spielen eine große Rolle.“

Söders Botschaft: Seine guten Umfragewerte könnten sich bei der Bundestagswahl im September auch für die CDU und ihre Abgeordneten auszahlen. Sein Kalkül: Je tiefer die Union in den Umfragen sinkt, desto höher dürften seine Zustimmungswerte in der Fraktion steigen. Und die Umfragewerte sind zuletzt für die Unionsparteien als Ganzes, aber auch für Laschet persönlich, dramatisch gesunken.

Die CDU-Abgeordneten stellt das vor ein Dilemma. Eine allzu eindeutige Parteinahme christdemokratischer Abgeordneter für Söder würde den eigenen Parteichef Laschet wahrscheinlich irreparabel beschädigen. Eine Kanzlerkandidatur des derzeit schwach erscheinenden CDU-Chefs würde aber womöglich die Chancen auf die eigene Wiederwahl von Abgeordneten schmälern.

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