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Die AfD will auf dem heutigen Parteitag in Dresden über ihr Wahlprogramm für die Bundestagswahl abstimmen – doch bereits im Vorfeld dominiert die Wahl eines möglichen Spitzenkandidaten die Diskussion. Nach WELT-Informationen will die derzeitige Fraktionschefin Alice Weidel auf dem Parteitag überraschend auf eine erneute Kandidatur verzichten. „Es ist die sehr unglückliche Situation eingetreten, dass in der Frage der Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl zwei unterschiedliche Verfahren gegeneinander gesteuert wurden“, heißt es in einer Stellungnahme gegenüber WELT.

„Zum einen ist der Bundesparteitag als höchstes Beschlussgremium gefragt, über die Kandidatur zu entscheiden, zum anderen wurde im Vorfeld durch die Mehrheit des Bundesvorstandes eine Mitgliederbefragung initiiert, deren Ergebnis nicht ignoriert werden kann. Dieser widrige Umstand hat mich zum Entschluss gebracht auf diesem Parteitag nicht für die Spitzenkandidatur zur Verfügung zu stehen“, so Weidel.

Die Frage nach dem Spitzenkandidaten birgt hohes Konflikpotenzial, weil AfD-Chef Jörg Meuthen die Basis nach dem Parteitag über einen Kandidaten entscheiden lassen will. Führende Kräfte des rechtsnationalen Lagers dringen hingegen auf Klärung vor Ort in Dresden – beide Seiten erwarten sich jeweils Vorteile dadurch.

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Meuthen hatte im Bundesvorstand eine Befragung der Mitglieder durchgesetzt, ob die Spitzenkandidaten per Basisentscheid bestimmt werden sollen. Gut 86 Prozent waren dafür. Dass sich nur rund 24 Prozent der Mitglieder beteiligten, ist laut Meuthen eine übliche Größenordnung. Dennoch liegen für den Parteitag Anträge von sieben Landesverbänden – darunter alle Ost-Verbände – vor, die Kandidatenfrage bereits vor Ort in Dresden zu entscheiden.

Weidel gilt als Gegenspielerin von Meuten

Weidel bildete 2017 mit Alexander Gauland das Spitzenkandidaten-Duo. Seit dem Einzug in den Bundestag stehen beide der AfD-Fraktion vor. Seit Ende 2019 ist Weidel stellvertretende Bundesvorsitzende, außerdem seit gut einem Jahr Chefin des AfD-Landesverbands Baden-Württemberg. Dass die AfD bei der dortigen Landtagswahl deutlich verlor, hat ihr parteiinternen Ansehens beschädigt. Belastet wird Weidel zudem bereits seit Längerem durch die Affäre um dubiose Spenden aus der Schweiz an ihren Kreisverband Bodensee.

Die 42-Jährige gilt als erbitterte Gegenspielerin von Parteichef Meuthen, dieser will sie als Spitzenkandidatin verhindern. Gut vernetzt ist Weidel mit den rechtsnationalen Kräften des formal aufgelösten „Flügels“.

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Als aussichtsreicher Anwärter auf das Amt gilt außerdem Co-Parteichef Tino Chrupalla. Er wird von den ostdeutschen Landesverbänden sowie Weidel und Gauland unterstützt. Das Meuthen-Lager brachte die Bundestagsabgeordnete Joana Cotar ins Spiel, die sich eine gemeinsame Kandidatur mit Chrupalla vorstellen kann. Auch Rüdiger Lucassen (NRW) gilt manchen als möglicher Kandidat.

Abstimmung über Wahlprogramm

Die AfD will auf dem Parteitag auch über ihr Programm für die Bundestagswahl abstimmen. Unter der Überschrift „Das Volk muss wieder zum Souverän werden“ stellt die AfD das politische System infrage. Sie plädiert etwa für bundesweite Volksabstimmungen zu Themen wie „Währung, Migration, Islam und Energie“. Der Leitantrag für den Parteitag enthält weitere bekannte AfD-Forderungen: Ausstieg aus dem Euro, Rückkehr zur Wehrpflicht, Abschaffung des Rundfunkbeitrags, Verbot von Minaretten, Förderung der traditionellen Familie, Erhalt von Atom- und Kohleenergie.

Mehrere Änderungsanträge zur Satzung und zur Tagesordnung deuten aber auch darauf hin, dass zumindest einige der Anwesenden die Bühne dafür nutzen wollen, um missliebige Parteifreunde auszubooten. So liegt etwa ein von 50 Mitgliedern eingereichter Antrag zur Abwahl Meuthens vor. Dass dieser durchkommt und sich die AfD zum Start des Bundestagswahlkampfs komplett neu aufstellt, wird parteiintern allerdings bezweifelt.

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Jörg Meuthen, der seit 2015 als einer von zwei Vorsitzenden an der Spitze der Partei steht, war zuletzt unter Druck geraten. Er hat seit dem vergangenen Jahr mehrfach die Anhänger der Rechtsaußen-Strömung um den Thüringer AfD-Chef Björn Höcke gegen sich aufgebracht – unter anderem durch den Rauswurf des früheren Brandenburger Landesvorsitzenden Andreas Kalbitz.

Der zweitägige Parteitag findet als Präsenzveranstaltung auf dem Messegelände in Dresden statt, die Partei hat ein Hygienekonzept vorgelegt. Ein Aktionsbündnis „Stoppt die AfD“ hat zu einem Protest mit Abstand und Maske zu Beginn des Parteitages aufgerufen. Die sächsische AfD hatte ebenfalls Anfang Februar einen Mitglieder-Parteitag in der Dresdner Messe abgehalten. Zeitweilig waren rund 700 Menschen in der Halle. Das Dresdner Ordnungsamt hatte die Einhaltung von Hygiene-Auflagen kontrolliert.