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Trotz Corona-Pandemie und sinkender Kriminalitätszahlen in der Hauptstadt hat die Berliner Polizei im vergangenen Jahr mehr als 150 rechte Straftaten in Berlin-Neukölln registriert. Das geht aus einer parlamentarischen Anfrage der Linken-Abgeordneten Anne Helm und Niklas Schrader hervor, die WELT vorab vorliegt.

Der Bezirk wird seit Jahren von einer beispiellosen Anschlagsserie heimgesucht. Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren, werden bedroht und eingeschüchtert. Zu den Opfern zählen Buchhändler, Gewerkschafter und Politikerinnen. Ihre Autos wurden angezündet und Fensterscheiben eingeschmissen.

Die Serie gilt eigentlich als gestoppt. Trotzdem verzeichnete die Polizei von März 2020 bis März 2021 mehr als 150 rechtsextreme Straftaten. Auch fünf Brandstiftungen an Autos sollen einen rechtsextremen Tathintergrund besitzen.

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Der Linken-Abgeordnete Schrader sagte WELT: „Die Zahlen zeigen, dass die Serie von rechten Straftaten in Neukölln weitergeht“. Unter den Straftaten seien auch überraschend viele Brandstiftungen. „Das zeigt, dass der Aufklärungsdruck und die politische Aufmerksamkeit hoch bleiben müssen“, findet Schrader.

Bei vielen der registrierten Straftaten handelt es sich um Propagandadelikte. Laut Berliner Polizei sind für die rechtsextremistische Szene – gerade in Neukölln – Schmierereien und Graffiti ein Mittel, um Drohkulissen gegen politische Gegner aufzubauen. Man suggeriere „eine symbolische Dominanz im Kiez“, wie es in einer Lageeinschätzung heißt.

Zwei Verdächtige waren verhaftet worden

Laut Polizei sei es im vergangenen Jahr vor allem im nördlichen Bereich Neuköllns vermehrt zu Farbschmierereien mit SS-Schriftzeichen und Hakenkreuzen gekommen. So wurden etwa an einem Wohnhaus an der Sonnenallee ein rotes Hakenkreuz und daneben SS-Runen angebracht. Linken-Politiker Schrader vermutet dahinter Zielmarkierungen von Personen. Die Polizei teilte mit, darüber keine Erkenntnisse zu besitzen.

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Der Neuköllner Anschlagsserie werden zwischen 2016 und 2018 insgesamt 72 Straftaten zugerechnet. Die Ermittlungen der Polizei liefen jahrelang ins Leere. Ende vergangenen Jahres wurden zwei Verdächtige verhaftet. Beide standen schon länger im Visier der Ermittlungsbehörden. Beide Männer sind inzwischen wieder frei. Gegen sie werde auch weiter ermittelt, hieß es.

Gegen den Hauptverdächtigen T. gibt es inzwischen eine neue Anklage wegen Sachbeschädigung. T. und drei Komplizen sollen im Jahr 2017 demnach meist nachts Aufkleber mit dem Konterfei des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß angebracht haben.

Das Gericht hatte allerdings keine Beweise gesehen, die einen dringenden Tatverdacht beim Hauptverdächtigen T. in Sachen Brandanschläge rechtfertigten würden, weshalb er auch wieder freikam.

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Interessant an der Antwort der Innenverwaltung an Linke-Politiker Schrader ist auch: T. ist auch in anderer Hinsicht aufgefallen. Zum einen wird parallel wegen Betrugsverdacht im Zusammenhang mit Corona-Soforthilfen ermittelt.

Dazu kommt: Bei T. wurden – wie bereits berichtet – im Zuge einer Hausdurchsuchung Feindeslisten mit Namen und Adressen politischer Gegner gefunden. Ein Abgleich der Behörden mit anderen solcher Zusammenstellungen ergab jetzt: Namen, die auf der Liste von T. stehen, finden sich auch auf anderen Dokumenten von Rechtsextremisten.

Mehr noch: Im Februar gab es laut Innenverwaltung in Neukölln mehrere Aktionen der rechtsextremen Partei III. Weg. Anhänger der Partei verteilten Flyer. Laut Szenebeobachtern mit dabei: Neonazi T.