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Alles, was man über diesen Film wissen muss, steckt in einer Szene: Die beiden Heldinnen passen nicht in den lila Lamborghini, mit dem sie durch Chicago cruisen und Menschenleben retten sollen. Einige quälende Sekunden lang manövrieren sich Lydia und Emily ins Auto, noch länger dauert es, bis sie es am Einsatzort wieder raus schaffen.

Haha, witzig! Da sind zwei Frauen, die sich per Genmanipulation in Superheldinnen verwandelt haben und jetzt zu dick und ungelenk sind, um mit einer richtig schnellen Karre umgehen zu können. Am Ende stellt sich Lydia, gespielt von Melissa McCarthy, lieber gleich aufs Autodach, um von dort aus den Kampf gegen radioaktiv verstrahlte Bösewichte aufzunehmen.

Superheldin auf Lamborghini

Quelle: NETFLIX © 2021 

Mit der Superheldinnen-Komödie „Thunderforce“ versucht sich Netflix am sensiblen Genre „Frauenaction“. Sensibel deshalb, weil dieses Genre sich als selbstironische Antithese zu Testosteron-geladenen Blockbustern à la „Fast & Furious“ oder „Captain America“ versteht, sich aber gerade deshalb eine besonders kritische Klischeeprüfung gefallen lassen muss.

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Auch „Thunderforce“ will alles anders machen als gewohnt. Männern werden nur unwichtige Nebenrollen zugestanden. Überhaupt soll der ganze Superhelden-Begriff parodiert werden, indem man die in Hollywood offenbar undenkbarsten Personen auf Weltrettungsmission schickt: zwei rundliche Frauen in ihren Vierzigern.

Allein aus dieser Personenkonstellation ergeben sich die meisten Witze in „Thunderforce“. Manches geht noch gerade so als „ganz nett“ durch, und das auch nur, weil sich die Hauptdarstellerinnen Melissa McCarthy (die den Film mitproduziert hat) und Octavia Spencer so sympathisch und engagiert geben: zum Beispiel als die beiden kurz vorm Grande Action-Finale ein Seal-Cover summen.

Die allermeisten Szenen aber sind schlicht unangenehm. Nicht nur waren die Macher des Films offenbar der Meinung, mit gleich zwei klischeehaft „lustigen Dicken“ in den Hauptrollen könne man gleich doppelt so viele schale Kalauer produzieren (Lydia isst ihr Müsli mit Bier, Emily gibt den Wissenschaftsnerd); die beiden Heldinnen werden zu allem Überfluss versehentlich für ein lesbisches Paar gehalten. Ernsthaft, den Joke müssen wir uns im Jahr 2021 noch geben? Man muss jetzt kein ultrawokes Instagram-Aktivismus-Kid sein, um da vor Fremdscham den Hoodie entsetzt über die Augen und Ohren zu ziehen.

Bei diesem Film möchte man wirklich manchmal schreien - vor Fremdscham: Melissa McCarthy in „Thunderforce“

Quelle: HOPPER STONE/NETFLIX © 2021 

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Es drängt sich die Frage auf, wie es so weit kommen konnte. Action-Kracher wie „Wonderwoman“ haben in den vergangenen Jahren doch gezeigt, dass spaßiger Ballerquatsch auch mit weiblichen Figuren in der Hauptrolle wunderbar funktioniert. Es ist also überhaupt nicht nötig, Frauen in Filmen Witze aufsagen zu lassen, von denen man glaubt und hofft, dass auch Männer sie lustig finden, weil das die Schablone ist, in die Erfolg versprechender Humor reinpassen muss, egal wie viel das überhaupt mit der Realität zu tun hat. Und erst recht ist es überflüssig, das Ergebnis unter dem Etikett „Selbstironie“ zu verkaufen.

Das Drehbuch zu „Thunderforce“ hat übrigens Ben Falcone geschrieben, der beim Film auch Regie führte – und McCarthys Ehemann ist. Es ist nicht überliefert, ob es in Anbetracht der weltweit ziemlich vernichtenden Filmkritiken zum Ehekrach kam. Jedenfalls ist die Handlung, durch die McCarthy und Spencer in ihren Panzeranzügen stolpern müssen, dermaßen uninspiriert, dass die 105 Minuten Filmzeit wirklich in der Kategorie „verschwendete Lebenszeit“ verbucht werden müssen.

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