Was in der Politik der Landeshauptstädte passiert, betrifft die Menschen eigentlich sehr direkt in ihrem Alltag. Das hat spätestens die Pandemie gezeigt. Trotzdem bewegt sich die Landespolitik unter dem Radar der meisten Wähler. Im Alltag gilt: Berlin ist wichtig, nicht so sehr Wiesbaden, Düsseldorf oder Erfurt. Bekannt und - ausweislich der Umfragen - auch meist beliebt sind die Ministerpräsidenten. Seit Jahren ist es dieser „Amtsbonus“ von Landesvätern und Landesmüttern, der wenige Wochen vor Wahlen, wenn die Sogkraft der Bundestrends abnimmt und die eigentliche Entscheidung wichtiger wird, für den Schwung Richtung Wiederwahl sorgt. Wann haben Amtsinhaber zuletzt verloren? 2017, in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Und jetzt im Saarland.

Timo Steppat

Redakteur in der Politik.

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Wenig überraschend sprach SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert am Wahlabend davon, dass im Saarland ein „gordischer Knoten“ zerschlagen worden sei. Denn in Düsseldorf und Kiel wollen im Mai abermals zwei sozialdemokratische Herausforderer gegen Amtsinhaber der CDU gewinnen. Vor fünf Jahren, als die SPD die beiden Staatskanzleien verlor, war es andersherum. Ist das Saarland, wo die Partei sogar die absolute Mehrheit erringt, ein Erfolgsmodell für die SPD?

Wähler unzufrieden mit Landesregierung aus CDU und SPD

Ministerpräsident Tobias Hans von der CDU erklärt sich am Wahlabend persönlich für die herbe Niederlage verantwortlich. Ein Minus von fast 13 Prozentpunkten, das schlechteste CDU-Ergebnis seit 1955. Was Glaubwürdigkeit, Sachverstand und Beliebtheit betrifft, hat ihn SPD-Spitzenkandidatin Anke Rehlinger deutlich überflügelt. Ihre Werte sind teilweise doppelt bis dreimal so gut wie die von Hans. Das zeigen die Nachwahlbefragungen von Infratest Dimap und der Forschungsgruppe Wahlen. Interessant ist, dass eine knappe Mehrheit der Befragten der Forschungsgruppe findet, dass Hans seine Sache gut gemacht habe. Jedoch glauben 41 Prozent, dass es Anke Rehlinger besser machen könnte. Sie hat im Wahlkampf für „solides Regieren“ geworben, während Hans mit einem Selfie-Video von der Tankstelle viele irritierte. Sein Corona-Management, das teilweise ziemlich erratisch daher kam, bewerten die Wähler im Vergleich zu Landtagswahlen im Vorjahr eher negativ.

Rehlingers Erfolg basiert zu einem guten Teil auf ihrer Bekannt- und Beliebtheit, die sie sich auch als Vize-Ministerpräsidentin in einer Großen Koalition erarbeiten konnte. Abermals, wie schon bei der Bundestagswahl, gewinnt die SPD aus der Juniorrolle heraus. Schaut man in die Zahlen, zeigt sich eine Unzufriedenheit der Saarländer. Eine Mehrheit sieht das Saarland schlechter als andere westdeutsche Länder für künftige Herausforderungen gewappnet.

Die wirtschaftliche Lage bewerten die Wähler in den Nachwahlbefragungen deutlich schlechter als noch vor fünf Jahren, als die Verhältnisse genau andersherum waren: Die CDU gewann mit Annegret Kramp-Karrenbauer an der Spitze, lag weit vor der SPD. Ja, Kramp-Karrenbauer war damals deutlich beliebter als Rehlinger, die auch schon vor fünf Jahren antrat. Die Wähler trauen der CDU jedoch diesmal insgesamt weniger zu: Die Kompetenzzuschreibungen, was Arbeitsplätze und Wirtschaft betrifft, haben sich halbiert. Die SPD gewann auf recht hohem Niveau moderat hinzu.

Die Kleinparteien sind zerstritten und spielen keine Rolle

Aber warum profitiert trotzdem die SPD, die Teil dieser Regierung ist? Im Saarland ist vieles anders. Im Gegensatz zu anderen westdeutschen Ländern spielen die Grünen keine Rolle. Sie sind, wie die anderen kleinen Parteien AfD, Linke und FDP, zum einen zerstritten. Bei der Bundestagswahl im Herbst vergangenen Jahres konnte man die Grünen gar nicht wählen - es gab keine zulässige Wahlliste. Seit Wochen schon bangten sie wie auch die anderen genannten Kleinparteien darum, ob sie es überhaupt über die Fünfprozenthürde und damit in den Landtag schaffen würden. Im Lauf des Wahlabends zeigte sich: Nur die ebenfalls zerstrittene AfD schafft es neben SPD und CDU in den Landtag. Sie verliert einen halben Prozentpunkt.