Wirecard, das war einmal das verheißungsvolle Versprechen einer neuen Finanzwelt, gewissermaßen die deutsche Antwort auf das Silicon Valley. Zehntausende Aktionäre vertrauten auf das enorme Wachstumspotential dieses Technologieunternehmens, das als Vermittler zwischen Onlinehändlern und Kreditkartenfirmen angeblich Milliarden verdiente. Sie investierten ihr Erspartes in den damaligen Dax-Konzern, der wertvoller war als die Deutsche Bank.

Als sich Wirecard im Juni 2020 für insolvent erklären musste, gingen weit mehr als 20 Milliarden Euro Vermögen verloren. Was die Münchner Staatsanwaltschaft von den Versprechen des damaligen Wirecard-Vorstands um den Vorsitzenden Markus Braun hält, hat sie am Donnerstag vor der 4. Großen Strafkammer des Landgerichts vorgetragen. In fünf Stunden beschrieben sie Wirecard als Machwerk einer kriminellen Bande um den heutigen Häftling Braun. Die Angeklagten hätten Geschäfte erfunden, um den Schein eines erfolgreichen Fintech-Unternehmens zu wahren, um Gelder zu veruntreuen und letztlich alle, die an sie glaubten, zu täuschen. Das Gericht hat für den Mammutprozess 100 Verhandlungstage bis ins Jahr 2024 angesetzt.

Es wird ein langes Verfahren werden, an dessen Ende Haftstrafen für Braun und seine beiden Komplizen stehen können. Bei dem angeklagten Trio wird es zudem nicht bleiben, denn die Ermittler haben noch mehr als 20 Beschuldigte im Visier. Es besteht auch Hoffnung, dass der Strafprozess die Versäumnisse an anderen Stellen aufzeigt: die Milliardenpleite von Wirecard ist eine Blamage für die Regulierungsbehörde Bafin, für die Abschlussprüfer von EY, für die deutsche Politik. Kaum Hoffnung besteht dagegen für die geprellten Wirecard-Aktionäre. Sie gelten nicht als Gläubiger und können deshalb keine Schadenersatzforderungen gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend machen.

Die Grundsatzfrage, wann Aktionäre Ansprüche gegen ein insolventes Unternehmen stellen können, wird letztlich der Bundesgerichtshof entscheiden. Die Geschichte der Firmenpleiten zeigt jedoch, dass Eigentümer erst zum Zuge kommen, wenn alle Gläubiger befriedigt sind – in der Praxis so gut wie nie.