Als sei der beginnende Lockdown im Herzen der zweitgrößten Wirtschaft der Welt nicht genug, sorgte am Montag auch noch die Falschmeldung, in China habe sich nun auch noch der reichste Mensch der Welt mit dem Coronavirus angesteckt, für eine zusätzliche Schrecksekunde in der Börsenwelt. Elon Musk habe sich zwar das Virus eingefangen, aber nicht wie auf Twitter gemeldet in China, korrigierte sich am Abend das „Wall Street Journal“. Dass Musks Autohersteller Tesla jedoch am Montag in seiner Schanghaier „Gigafactory“ abermals für vier Tage die Bänder anhalten muss, diese Nachricht stimmt. Die dort hergestellten Modellvarianten „3“ und „Y“ werden normalerweise zum Großteil nach Europa verschifft.

Hendrik Ankenbrand

Wirtschaftskorrespondent für China mit Sitz in Schanghai.

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Am Sonntag hatte Schanghais Regierung einen stadtweiten Lockdown ausgerufen, den sie kurz zuvor noch kategorisch ausgeschlossen hatte. Zwar hatte die Zahl der an Covid-19 Erkrankten an dem Tag in der Stadt gerade mal um 50 zugenommen. 3450 Menschen, bei denen der Virustest positiv ausgefallen war, waren asymptomatisch. Doch weil China weiterhin unbeirrt jede einzelne Infektion im Krankenhaus zu behandeln gedenkt, liegen die Menschen dort mittlerweile in dicht an dicht gestellten Betten auf dem Flur.

Der Eindruck, dass den Machthabern die Kontrolle über die Pandemie entgleitet, bewegt inzwischen sogar den Ölpreis. Dieser sank am Montag aufgrund der Sorge, Chinas virusgeschwächte Wirtschaft könne den Rohstoff weniger nachfragen. Das Land als „Motor der Weltwirtschaft“ scheine „ins Stottern“ zu geraten, hieß es sorgenvoll vom deutschen Industrie- und Handelskammertag. Schließlich seien auch in den anderen Wirtschaftszentren des Landes wie Shenzhen oder Dongguan schon die Produktion gedrosselt und Häfen geschlossen worden.

Beschäftigte sollten trotz Abriegelung arbeiten

Volkswagen musste sein Werk in Schanghai am Montag zwar noch nicht schließen. Im westlichen Teil der Stadt, wo die Fabrik des deutschen Autoherstellers und chinesischen Marktführers steht, beginnt der Lockdown erst am Freitag. Teslas Produktion hingegen ist im östlichen Pudong, das die Behörden schon am frühen Montagmorgen komplett abgeriegelt hatten. Berichten zufolge hatte der Hersteller am Sonntag noch versucht, seine Arbeiter in die Fabrik zu berufen, um sie dort wie in einem geschlossenen System ohne Kontakt zur Außenwelt für die vier Tage Lockdown arbeiten und übernachten zu lassen. Allerdings habe Tesla festgestellt, dass nicht genügend Verpflegung für die Arbeiter vorrätig gewesen sei – Nachschub herbeizuschaffen hielt das Unternehmen offensichtlich für ein aussichtsloses Unterfangen.

Tatsächlich hatte die Regierung zwar versprochen, es werde während des Lockdowns keinerlei Engpass an Lebensmitteln geben. In der Realität waren schon am Montag jedoch in der westlichen Stadthälfte, die den Namen Puxi trägt, die meisten Supermarktregale völlig leergekauft. Auch wenn die Stadt den Börsenhandel und den Betrieb im größten Containerhafen der Welt zunächst aufrecht erhielt, haben Ökonomen die Sorge, dass Chinas Wirtschaft und der mit ihr eng verbundene Rest der Weltkonjunktur gehörigen Schaden nehmen könnte.

Erst vor einer Woche hatte Shenzhen seinen 7 Tage dauernden, stadtweiten Lockdown beendet. Mit Jilin, einem Zentrum der chinesischen Autoindustrie im Norden, war sogar eine ganze Provinz unter Hausarrest gestellt worden. Das hatte VW und den japanischen Autohersteller Toyota gezwungen, dort reihenweise Werke stillzulegen. Auch in Schanghai hatten schon zuvor in Wahrheit die meisten Bewohner Tage und zum Teil sogar Wochen in einem Lockdown verbracht, den die Regierung aus Angst um ihr Ansehen allerdings nicht so nennen wollte.

Insgesamt 831 internationale Unternehmen haben in der Stadt ihren regionalen Hauptsitz. Fast 4 Prozent des chinesischen Bruttoinlandsprodukts wird in Schanghai erwirtschaftet, was rund der zweieinhalbfachen Menge von Wuhan entspricht, das im Frühjahr 2020 monatelang in den Lockdown ging. Zählt man die umliegenden Provinzen hinzu, stellt die Region sogar ein Fünftel von Chinas Wirtschaftsleistung. Den dortigen Unternehmen machten die „oft unvorhersehbaren und über Nacht implementierten Maßnahmen“ zu schaffen, heißt es aus der deutschen Handelskammer in Schanghai. Waren könnten nicht mehr über die Stadtgrenzen hinaus transportiert werden, Kundenbesuche seien unmöglich. Shanghai sei tief in den globalen Lieferketten integriert, die so noch stärker litten.