Werner Baumann hat Übung darin, die Übernahme von Monsanto zu verteidigen. Schließlich wird der Bayer-Vorstandsvorsitzende regelmäßig dazu befragt, wenn es Neuigkeiten rund um den milliardenschweren Rechtsstreit um das umstrittene Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat gibt, den sich der deutsche Pharma- und Agrarchemiekonzern mit der 63 Milliarden Dollar teuren Übernahme des amerikanischen Saatgutriesen eingekauft hat. Und davon gibt es viele, der Streit um Glyphosat verfolgt das Unternehmen seit bald vier Jahren.

Jonas Jansen

Wirtschaftskorrespondent in Düsseldorf.

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Von Anfang an aufmerksam beobachtet hat das der Singapurer Staatsfonds Temasek, schließlich ist er im April 2018 als Großaktionär bei Bayer eingestiegen. Mit seinem Investment von gut 3 Milliarden Euro hat Temasek die Übernahme von Monsanto mit ermöglicht und wurde mit einem Anteil von 4 Prozent so zu einem der größten Miteigentümer des deutschen Dax-Konzerns.

Vor der Hauptversammlung von Bayer am 29. April drängt Temasek einem Medienbericht zufolge plötzlich auf die Ablöse des Bayer-Vorstandsvorsitzenden. Beim Aufsichtsratsvorsitzenden Norbert Winkeljohann habe der Staatsfonds seinen Unmut über die derzeitige Führung geäußert, berichtete der Finanzdienst Bloomberg unter Berufung auf „mit der Situation vertraute Personen, die nicht namentlich genannt werden wollten“.

Kommt es zu einem Misstrauensvotum?

Seit Langem habe der Großaktionär Zweifel an der operativen Leistung von Bayer unter Baumann und moniere die mangelnde Nachfolgeplanung. Nun würden Optionen geprüft: Etwa ein Misstrauensvotum oder auch dem Management die Entlastung auf der Hauptversammlung zu verweigern. Damit würde der Aufsichtsrat in Zugzwang geraten.

Seit Jahresbeginn hat sich der Aktienkurs von Bayer jedoch stark erholt, er liegt mehr als ein Drittel im Plus, während der Dax im gleichen Zeitraum gut 8 Prozent an Wert eingebüßt hat. Zwar steht der Aktienkurs von Bayer seit geraumer Zeit wegen der anhaltenden Rechtsrisiken zu Glyphosat deutlich unter Druck, doch bescheinigten Analysten der Aktie zuletzt deutliches Wachstumspotenzial.

Der Vorstoß von Temasek wirft daher zum jetzigen Zeitpunkt Fragen auf, hat der Staatsfonds doch in der Vergangenheit mehrfach betont, dass er die Logik hinter der Fusion unterstütze und sich außerdem von Ausdauer, Geduld und Zeit in seinen Investmententscheidung leiten lasse. 283 Milliarden Dollar beträgt der Portfoliowert von Temasek, der Staatsfonds hat sich immer auf Langfristinvestments fokussiert.

Bayer-Investment als Verlustgeschäft

Während die Aktie und Bayer-Chef Baumann stark unter Druck standen, etwa nach der ausbleibenden Entlastung für den Vorstand auf der Hauptversammlung 2019, blieb Temasek stumm und investiert. Doch die Geduld scheint am Ende, während die Zeichen auf Erholung stehen. Zuletzt hatte sich Temasek offenbar von zahlreichen Aktien getrennt, der Staatsfonds hält nach den zuletzt verfügbaren Angaben von Ende März 2021 nur noch 3 Prozent der Aktien. Das Bayer-Investment war bisher also für Temasek ein Verlustgeschäft.

Offiziell sagt Temasek nichts dazu. Auch Bayer äußert sich auf Anfrage dazu nicht und verweist einzig darauf, dass dem Unternehmen bislang kein veröffentlichungsfähiger Antrag des Großaktionärs vorliege. Umso deutlicher sind die Reaktionen anderer Aktionärsvertreter, die sonst auch nicht mit Kritik an Bayer-Chef Baumann sparen. Janne Werning, Leiter des Nachhaltigkeitsmanagements bei der Fondsgesellschaft Union Investment sieht gestiegene Chancen, dass das Thema der Schadenersatzklagen zu Glyphosat im nächsten Jahr vom Tisch sei.

Zwar sei es richtig, dass der Vertrag von Baumann früher als geplant in zwei Jahren ausläuft. „Mit dem Kauf von Monsanto hat Bayer sich das riskanteste Saatgutunternehmen ausgesucht und ist unnötigerweise ein hohes finanzielles Risiko eingegangen“, sagte Werning auf Anfrage. Allerdings sollte Baumann nun in die Lage versetzt werden, das Unternehmen geordnet an seinen Nachfolger zu übergeben. „Die ersten Fortschritte sind erkennbar und eine vorzeitige Auflösung seines Vertrags würde nur Chaos produzieren“, sagte Werning.

Verspätete Attacke

Der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Marc Tüngler bezeichnete den Vorstoß von Temasek gar als „absurdes Theater“, sowohl inhaltlich als auch bezogen auf den Zeitpunkt. Die Attacke käme zur Unzeit und zwei bis drei Jahre zu spät. „Jetzt, in einer Phase, in der Bayer wieder Fuß fasst und im Aufwärtstrend befindlich ist, richtet ein solcher Angriff allein Schaden an.“

Selbst aus der Politik kam sofort eine Gegenrede: „Krieg in Europa, globale Ernährungskrise und ein Staatsfonds attackiert systemrelevantes Unternehmen. Das wird auf Widerstand der Politik stoßen!“ schrieb der Europaabgeordnete Dennis Radtke (CDU) auf Twitter. Eine Zerschlagung wäre „katastrophal“.

Sein Parteikollege Michael Grosse-Brömer, der dem Wirtschaftsausschuss des Bundestags vorsitzt, nannte den Vorgang „stillos und inakzeptabel“. Auch der Wuppertaler Bundestagsabgeordnete Helge Lindh (SPD) meldete sich im Kurznachrichtendienst zu Wort. Bayer dürfe nicht „zum Spielball für asiatische Investoren werden. Auch der Standort in Wuppertal käme dann unter die Räder.“