Politiker, so besagt ein altes Bonmot, benutzen Ökonomen wie Betrunkene Laternen: Sie suchen nicht Licht, sondern Halt. In seiner Zeit als Bundesfinanzminister umgab sich Olaf Scholz demonstrativ mit einer großen Zahl von Ökonomen. Sogar die Position eines „Visiting Professor“ wurde geschaffen, um den Austausch zwischen Politik und Wissenschaft zu intensivieren. Scholz konsultierte nicht nur die einschlägigen SPD- und Gewerkschaftsleute mit nicht selten überschaubaren akademischen Meriten. Er zog jüngere, auch im Ausland arbeitende Fachleute mit ansehnlicher Reputation hinzu. Scholz, so schien es, wollte zeigen, wie zeitgemäße, wissenschaftlich fundierte Politik aussieht.

Als Bundeskanzler legt Scholz eine unglückliche Kehrtwende an den Tag. Einer Gruppe von Ökonomen, die eine auf modernen Verfahren beruhende Simulation der Folgen eines Energieembargos berechneten, hielt Scholz im Fernsehen vor, es sei „unverantwortlich, irgendwelche mathematischen Modelle zusammenzurechnen, die dann nicht funktionieren“. Nach dieser Simulation drohte nach einem Energieembargo wohl eine Rezession, aber nicht das von der Regierung an die Wand gemalte katastrophale Szenario.

Scholz ist nicht vorzuwerfen, dass er seine Politik nicht an den Ergebnissen einer Studie ausrichtet, deren Ergebnisse natürlich kritisch hinterfragt werden müssen. Ihm ist auch nicht vorzuwerfen, dass er für die Erörterung von Sanktionen lieber Vertreter der Wirtschaft als Vertreter der Wissenschaft konsultiert. Als Kanzler trägt Scholz die Verantwortung für seine Politik. Er muss entscheiden, wessen Rat er einholt.

Scholz sollte allerdings auf eine unzeitgemäße und überdies höchst unsouverän wirkende Wissenschaftsfeindlichkeit verzichten. Die Verfasser der Studie sind angesehene Ökonomen; mehrere gehörten übrigens dem unter Scholz geschaffenen Zirkel im Finanzministerium an. Weil ihre Ergebnisse nicht gefallen, werden sie abgekanzelt wie dumme Jungen. Rationale Politik sollte froh sein, wenn sich ihr in schwieriger Zeit Sachverstand anbietet – gerade in einem Land, in dem schon während der Pandemie eine gefährliche Bagatellisierung von Fachwissen zu beobachten war.