Ende März treffen Manager von amerikanischen Flüssiggas-Unternehmen mit Vertretern deutscher Unternehmen in Berlin zusammen, um herauszufinden, wie man schnell mehr Flüssiggas nach Deutschland bringen kann. Charif Souki, Chef des texanischen Gasunternehmens Tellurian, bestätigte die Zusammenkunft, stutzte aber die Erwartungen zurecht. „Das wird ein Feelgood-Treffen. Ich verhandele nämlich keine Energieverträge, wenn sechs meiner Konkurrenten neben mir sitzen.“

Winand von Petersdorff-Campen

Wirtschaftskorrespondent in Washington.

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Die Zusammenkunft ist einer der großen unbeantworteten Fragen gewidmet: Wer soll die Lücke schließen, wenn die EU mit dem Embargo oder einer Drosselung von Erdgaslieferungen aus Russland Ernst macht? Die flehenden Augen europäischer Regierungsvertreter richten sich auf Amerikas Fracking-Gas, das in politisch bequemeren Zeiten als Klima- und Umweltsünden-Rohstoff kategorisiert wurde.

Auf den ersten Blick leuchtet die Hinwendung nach Amerika ein: Die Vereinigten Staaten sind der weltgrößte Förderer von Erdgas, verfügen über gewaltige Reserven und sind willig, den Rohstoff zu exportieren. Erst 2016 hatten sie damit angefangen, Erdgas zu verflüssigen, auf Spezialtankschiffe zu laden und nach Übersee zu transportieren. Inzwischen gehören die USA zu den drei größten Flüssiggas-Exporteuren zusammen mit Australien und Qatar. 2021 lieferten die US-Produzenten 100 Milliarden Tonnen der Flüssigware in die Welt hinaus, mehr als je zuvor.

Die amerikanische Regierung will dabei helfen, dass die EU noch in diesem Jahr allein zusätzliche 15 Milliarden Tonnen Flüssiggas (LNG = Liquefied Natural Gas) bekommt. Das allein ist schon eine Herausforderung, weil die amerikanischen Anlagen zur Verflüssigung des angelieferten Erdgases jetzt schon ausgelastet sind.

USA steigen zum größten Flüssiggasproduzenten auf

Allerdings gibt es Hoffnung. Am 22. Februar gab Cheniere , Amerikas größter LNG-Exporteur, bekannt, den sechsten Strang einer Verflüssigungsanlage im texanischen Terminal Sabine Pass fertiggestellt zu haben. Ein anderes Unternehmen, Venture Global , will bis Ende dieses Jahres seine Großanlage Calcasieu Pass in Louisiana in Betrieb nehmen und hat schon erste Lieferungen nach Übersee geschickt. Wenn Calcasieu Pass komplett in Betrieb ist, haben die Vereinigten Staaten sieben große Terminals, in denen über Pipelines angeliefertes Erdgas in den flüssigen Aggregatzustand versetzt und auf Schiffe verladen wird. Und sie sind dann größter Flüssiggasproduzent der Welt.

Deshalb deutet vieles darauf hin, dass Amerika in diesem Jahr zumindest Teilmengen liefern kann. Die wahren Probleme beginnen danach. Dann sollen nämlich zusätzlich jährlich bis zu 50 Milliarden Tonnen Flüssiggas aus Amerika nach Europa kommen, wurde auf dem G-7-Gipfel vereinbart. Es sind zwar Anlagen im Bau, aber der Rest der Welt fragt ebenfalls deutlich mehr Erdgas nach als früher, um Treibhausgas-Emissionen zu reduzieren.

Nikos Tsafos von der Denkfabrik CSIS (Center for Strategic and International Studies) hat die LNG-Anlagen im Bau aufgelistet, die bis 2026 in Betrieb gehen, wenn nichts dazwischenkommt. Die neuen Anlagen können dann rund 110 Milliarden Tonnen im Jahr zusätzlich liefern. Allerdings würden 70 Milliarden Tonnen davon allein von China beansprucht werden, wenn sich die Verbrauchsentwicklung in dem Land fortsetzt, rechnet Tsafos vor.