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Es gibt Börsengänge, die läuten eine neue Ära der Wirtschaftsgeschichte ein. Das Debüt von Amazon im Jahr 1997 markierte den Beginn des E-Commerce, des elektronischen Handels. Sieben Jahre später war es Alphabet, damals noch als Google, das mit seinem Börsengang das Zeitalter von Big Data startete.

Und im Jahr 2012 begründete der Börsengang von Facebook die Epoche der sozialen Medien, was auch gern unter Internet 2.0 firmiert. Nichts Geringeres wird auch jetzt wieder erwartet, da der Marktplatz für Kryptowährungen Coinbase an die Börse gegangen ist. Experten sprechen von einem Wendepunkt für die Blockchain-Industrie.

Auf das Internet 2.0 folgt eine Art Internet der Werte und das Unternehmen, das diese neue Wendung symbolisiert, ist nun einmal Coinbase, heißt es. Denn auf diesem Marktplatz lassen sich die meisten Kryptowährungen und digitalen Tokens handeln. Entsprechend hoch waren die Erwartungen an den ersten Handelstag. Und tatsächlich signalisierte die erste Indikation einen erfolgreichen Börsengang.

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Der erste Kurs lag bei 381 Dollar. Das lag 52 Prozent über dem Referenzlisting-Kurs, der auf 250 Dollar festgesetzt worden war. Damit wird Coinbase mit knapp 100 Milliarden Dollar bewertet und rangiert beim Börsenwert unter den führenden 100 US-Firmen am amerikanischen Aktienmarkt, dem größten der Welt.

Gradmesser für die Robustheit der Kryptoszene

„Der IPO kommt zur richtigen Zeit. Ich denke, dass durch den IPO die Akzeptanz des Bitcoins enorm gesteigert und die breite Masse weiter durchdrungen wird“, sagt Benjamin Bilski, Geschäftsführer der Handelsplattform NAGA. Krypto sei nun immer weniger ein reines Expertenthema. „Es wird jetzt legitimer für Nutzer, die Bitcoin und Co. bislang misstraut haben.“ Kurz vor dem Start hatten die Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ether neue Allzeithochs markiert. Alle digitalen Münzen sind nun rund 2,2 Billionen Dollar wert, so viel wie der Tech-Gigant Apple.

Quelle: Infografik WELT

Coinbase, das unter dem Börsenkürzel COIN firmiert, ist so etwas wie der Gradmesser für die Robustheit der Kryptoszene. Selbst Anleger, die nicht selber in digitale Münzen oder Token investieren wollen, bekommen mit den Aktien von Coinbase die Chance, am Aufstieg der neuen digitalen Anlageklasse mit zu verdienen. Denn egal welche Kryptowährung sich durchsetzt – Coinbase, das am Handel verdient, ist der Gewinner.

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Wedbush-Analyst Daniel Ives sieht Coinbase als ein Fenster in die Zukunft. „Coinbase ist ein grundlegendes Stück des Krypto-Ökosystems und ist ein Barometer für die wachsende Mainstream-Akzeptanz von Bitcoin und Co. für die kommenden Jahre“, sagte der Analyst, der sich mit optimistischen Prognosen bei Tesla bereits einen Namen gemacht hat.

Wertvollster Marktplatz der Welt

Coinbase ist mit einem Börsenwert von umgerechnet 80 Milliarden Euro auf einen Schlag der wertvollste Marktplatz der Welt. Anbieter wie die Deutsche Börse sind mit 28,3 Milliarden nur ein Drittel so groß. Coinbase ist so viel wert wie die beiden Börsenbetreiber Nasdaq und Intercontinental Exchange, die die Nyse betreibt, zusammen.

Das hat einen guten Grund. Es handelt sich bei Coinbase um eine regelrechte Gelddruckmaschine. Das offenbaren die Zahlen zum ersten Quartal, die der Marktplatz rechtzeitig vor dem Börsendebüt veröffentlicht hat. Danach hat Coinbase allein in den ersten drei Monaten 13 Millionen neue Kunden gewonnen. Das sind so viele wie der amerikanische Online-Broker Robinhood insgesamt Kunden hat.

Quelle: Infografik WELT

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Die in San Francisco ansässige Coinbase, die erst 2012 gegründet wurde, wird nach eigenen Angaben von 56 Millionen Menschen in über 100 Ländern genutzt. Der Umsatz betrug im ersten Quartal 1,8 Milliarden Dollar, mehr als die 1,3 Milliarden, die im gesamten Vorjahr umgesetzt worden waren. Noch sensationeller entwickelte sich der Gewinn, den das Unternehmen für das erste Quartal auf 730 bis 800 Millionen Dollar taxierte. Das lag mehr als doppelt so hoch wie im gesamten vergangenen Jahr. Die Netto-Marge rangierte bei 44 Prozent.

Gerade im Vergleich zur Deutschen Börse zeigt sich die Stärke von Coinbase. Der Betreiber der Börse Frankfurt setzte im vergangenen Jahr 3,2 Milliarden Euro um und erwirtschaftete dabei einen operativen Gewinn von 1,1 Milliarden Euro. Mit 33 Prozent ist die Netto-Marge zwar beachtlich, beträgt aber ein Drittel weniger als bei Coinbase.

Coinbase verlangt hohe Gebühren

Der Kryptomarktplatz hat sich als Premium-Anbieter in der digitalen Szene etabliert, der hohe Gebühren verlangen kann: Für einen 100-Dollar-Kauf von Bitcoin berechnet Coinbase eine Gebühr von 3,49 Dollar, beim Konkurrenten Kraken werden nur 1,50 Dollar fällig, bei Bitstamp sogar nur 50 Cents. Auch die Spannen zwischen Kauf- und Verkaufskursen, die sogenannten Bid-Ask-Spreads, haben die Gewinne sprudeln lassen. Coinbase nimmt einen Spread von nicht weniger als 0,54 Prozent. Kein anderer großer Marktplatz kann solche Bid-Ask-Spannen nehmen.

Die Assets auf der Plattform sind auf 223 Milliarden Dollar gestiegen, das entspricht 11,3 Prozent Marktanteil bei Kryptowährungen. Bemerkenswert ist, dass das Volumen von institutionellen Investoren von 45 Milliarden Dollar Ende 2020 auf nunmehr 122 Milliarden Dollar gestiegen ist. Das zeigt, dass sich die Krypto-Börse von einem reinen Privatanleger-Marktplatz zu einer Plattform mausert, auf der auch Profi-Investoren ihre Kryptowährungen handeln und halten.

Quelle: Infografik WELT

Viele Experten bezweifeln jedoch, dass Coinbase die hohen Margen langfristig wird halten können. Das belege allein der Fakt, dass durch die verstärkten Handelsaktivitäten von Profi-Investoren die Geld-Brief-Spanne von 0,63 auf 0,54 Prozent zusammengeschnurrt sei. Auch die Handelsgebühren dürften langfristig fallen. Der Online-Broker Charles Schwab sei in den 1980er-Jahren mit Gebühren von 40 Dollar pro Order gestartet, heute lägen diese bei null Dollar.

Kommt der Kryptowinter?

Doch nicht nur die Margenkompression wird als Risiko gesehen. Auch die Regulierung könnte den Handel mit den digitalen Münzen und Token behindern. Skeptiker wollen gar einen Kryptowinter nicht ausschließen, sollten zunächst die Kurse von Bitcoin und Co. fallen und die Menschen danach weniger handeln. Dann könnte die Gelddruckmaschine auch rasch ins Stottern kommen.

„Es wird spannend zu sehen, ob Coinbase nachhaltig an der hohen Bewertung festhalten kann oder inwiefern der Unternehmenskurs abhängig vom Bitcoin-Kurs agieren wird“, sagt Bilski. Die Dynamik werde sich daher auch auf die Akzeptanz der Kryptowährungen in umfangreichen Bevölkerungsschichten auswirken: „Grundsätzlich gehe ich aber davon aus, dass das Krypto-Wachstum in erster Linie vom Börsengang profitieren wird.“

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Potenzielle Anleger müssen sich fragen, ob sie Vertrauen in die Kryptowelt haben und inwiefern sie Coinbase zutrauen, die starke Marktstellung zu behalten, da der Erfolg Wettbewerber auf den Plan rufen werden. Analysten sehen den langfristigen Wert zwischen 440 und 600 Dollar.

Wer ordern will, sollte aber nur mit Limit agieren und im Zweifel ein paar Tage warten, bis sich die Euphorie etwas gelegt hat. Auch bei Coinbase ging es nach einem kurzfristigen Anstieg auf 429 Dollar im Laufe des Handels wieder deutlich nach unten. Doch das muss kein schlechtes Omen sein. Auch andere Epochen-Aktien wie Amazon oder Facebook erlebten nach dem Börsenstart zunächst einen Dämpfer. Bei Facebook war es die Angst, ob das Unternehmen auch in der mobilen Welt reüssieren könnte, bei Amazon, dass dem Unternehmen das Geld ausgehen könnte.

„Im Bitcoin bleiben und nach unten absichern“

Der Bitcoin hat die Schallmauer von 40.000 Dollar durchbrochen. Mit Rekordständen gleich zu Jahresbeginn kann aber nicht nur die Digitalwährung aufwarten. Chartanalyst Martin Utschneider bewertet den Start ins Börsenjahr 2021.

Quelle: WELT/Dietmar Deffner