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In genau 367 deutschen Städten und Gemeinden gilt der Wohnungsmarkt ganz offiziell als „angespannt“. Dort ist das Angebot an Wohnungen so knapp, dass die Bundesländer über Verordnungen eine Mietpreisbremse eingeführt haben. Doch das ist nicht alles.

Bürgermeister und Stadträte der betreffenden Gemeinden warten auch sehnlichst auf ein Gesetz, das ihnen die Ausweisung von neuem Bauland und die Schaffung von neuen Wohnungen erleichtern soll: Die Novelle des Baugesetzbuchs (BauGB) ist das größte Gesetzgebungsprojekt aus dem von Horst Seehofer (CSU) geführten Bauministerium. Seit bald einem Jahr liegt ein Referentenentwurf vor. Doch die große Koalition ist darüber zerstritten. Und die Kommunen warten vergebens.

Die BauGB-Reform beinhaltet eine ganze Reihe neuer Instrumente für Städte und Gemeinden, mit denen sie einerseits schneller für neuen Wohnraum sorgen können, andererseits auch für die Erhaltung bestehender günstiger Wohnungen. Der Gesetzentwurf geht auf Vorschläge einer unabhängigen Expertenkommission zurück und passierte im Herbst 2020 das Bundeskabinett.

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Ein Punkt aber ist seit Monaten umstritten: Den Kommunen soll es künftig vorbehalten sein, die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen zu genehmigen. Eine solche Umwandlung führt in der Praxis häufig dazu, dass günstige Mietwohnungen vom Markt verschwinden. SPD und CSU sind für einen solchen Genehmigungsvorbehalt. Die CDU ist strikt dagegen.

Weniger statt mehr Handlungsspielraum

Nach WELT-Informationen liegt nun ein Kompromissvorschlag vor, der den Bürgermeistern und Stadträten nicht gefallen dürfte. Denn es würde darauf hinauslaufen, dass Kommunen entscheidende Planungskompetenzen an die Bundesländer abgeben müssten. „Die Städte können und wollen selbst entscheiden, wann und in welchem Umfang es angebracht ist, von den planungsrechtlichen Instrumenten des Baugesetzbuchs Gebrauch zu machen“, sagte Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, zu WELT.

Eigentlich gibt der Gesetzentwurf den Gemeinden mehr Handlungsspielraum. Sie würden nicht nur den Genehmigungsvorbehalt für die Mietwohnungs-Umwandlung bekommen. Sie könnten auch mit einem neuen Baugebot die Eigentümer unbebauter Grundstücke leichter als bisher zum Bauen zwingen. Auch ein „sektoraler Bebauungsplan“ ist vorgesehen, in dem die Gemeinden in Neubaugebieten flächendeckend eine Sozialwohnungsquote vorschreiben können.

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Außerdem sind mehr Zugriffsmöglichkeiten via Vorkaufsrecht vorgesehen: Die Verwaltung soll bei einem privaten Immobilienverkauf mehr Zeit haben, selbst zuzugreifen und dem Kaufinteressenten nicht nur Häuser, sondern auch unbebaute Grundstücke wegschnappen können.

Diese Instrumente sollen nun aber laut Kompromissvorschlag von den Bundesländern mitbestimmt werden. Das würde etwa bedeuten: Wenn Dortmund ein zum Verkauf stehendes Grundstück erwerben wollte, müsste die Stadt erst in Düsseldorf um Erlaubnis fragen.

Bei den Interessenvertretern der Städte und Gemeinden stößt das auf wenig Verständnis. Kommunale Planungsinstrumente dürften „nicht von den Rechtsverordnungen der Länder abhängen“, so Städtetags-Hauptgeschäftsführer Dedy. „Das würde die kommunale Planungshoheit ignorieren. Wir brauchen kein Gängelband der Länder.“

Städtetag fordert Preisbremse

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Auch beim Deutschen Städte- und Gemeindebund ist man wenig begeistert. „Die Bauleitplanung ist das Herzstück der kommunalen Selbstverwaltung. Damit gehören Instrumente wie Vorkaufsrecht, Baugebot, sektoraler Bebauungsplan oder auch ein Umwandlungs-Genehmigungsvorbehalt in kommunale Hand“, sagt Referatsleiter Bernd Düsterdiek. „Gerade die geplanten Erweiterungen bei den Vorkaufsrechten sind positiv. Sie können die immobilienwirtschaftliche Handlungsfähigkeit der Kommunen zumindest im Ansatz stärken.“

Der Deutsche Städtetag fordert beim Vorkaufsrecht sogar eine zusätzliche Preisbremse. Denn der Immobilienpreisboom hat dazu geführt, dass kommunale Haushalte mit dem Bezahlen aktueller Marktpreise häufig überfordert sind.

„Städte, die ihr Vorkaufsrecht ausüben, sollten Immobilien immer zum gutachterlich ermittelten Verkehrswert ankaufen können und nicht zum Höchstgebot“, findet Dedy. „So könnten Städte den überbordenden Boden- und Immobilienpreisen entgegenwirken – auch zum Nutzen der privaten Immobilienwirtschaft.“

Was die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen angeht, hat der Städtetag ebenfalls eine klare Position: „Es ist wichtig, dass die Städte gefragt werden müssen, bevor Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt werden“, sagt Helmut Dedy. „Die Städte brauchen einen Spielraum, um beurteilen zu können, wo die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen sinnvoll ist oder wo sie droht, die Struktur von Stadtvierteln zu verändern.“

Beide Verbände fordern mehr Tempo. „Mit der laufenden Baugesetzbuchnovelle werden wichtige Instrumente weiterentwickelt, damit Städte den Bau bezahlbarer Wohnungen voranbringen können. Deshalb ist es so wichtig, dass die Koalitionspartner sich jetzt endlich einigen und die Novelle des Baugesetzbuchs noch in dieser Legislaturperiode kommt“, sagt Dedy.

Die Preisspirale beim Bauland müsse durchbrochen werden. Städte- und Gemeindebund-Experte Düsterdiek ergänzt: „Es gibt schon seit fast zwei Jahren klare Empfehlungen der Baulandkommission. Diese müssen jetzt so weit wie möglich umgesetzt werden.“

Darum könnte der Grünen-Vorstoß die Lage noch verschlimmern

In den Ballungsgebieten ist bezahlbarer Wohnraum knapp. Da die Fläche aber begrenzt ist, geht ein grüner Bezirksamtsleiter in Hamburg einen anderen Weg, der nicht jedem gefällt.

Quelle: WELT/Eybe Ahlers