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„Die neuen Corona-Haustiere sorgen für Rekord bei der Hundesteuer“ war eine WELT-Nachricht der letzten Woche. In Zeiten der sozialen Isolation und der Kontaktbeschränkungen haben sich offenbar viele Deutsche einen Hund angeschafft – vielleicht sogar wegen der dadurch vielerorts akzeptierten informellen Befreiung von Ausgangssperren.

„Jetzt ist der historische Steuer-Durchbruch zum Greifen nahe“, so lautete eine andere aktuelle WELT-Überschrift. Sie zitiert einen zufriedenen Bundesfinanzminister Olaf Scholz, der sich darüber freut, dass sich die mächtigsten Industriestaaten bald einmal auf eine globale Mindeststeuer für Unternehmen einigen könnten.

So wollen sie dem Steuerwettbewerb in Richtung Nullsteuerpolitik einen wirksamen Riegel vorschieben. Vor allem die US-amerikanisch dominierte Digitalwirtschaft soll gezwungen werden, hierzulande nicht nur Gewinne einzuheimsen, sondern auch Steuern zu bezahlen.

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Auf den ersten Blick scheinen die beiden völlig unabhängigen Nachrichten rein gar nichts miteinander zu tun zu haben. Genaueres Hinsehen jedoch offenbart weit mehr Gemeinsamkeiten als vermutet.

Zwei davon sind besonders wichtig: Erstens liefert die Hundesteuer perfekten Anschauungsunterricht für den Irrglauben, dass Unternehmenssteuern von Unternehmen bezahlt werden. Und zweitens lässt sich daraus erkennen, dass bei falsch gesetzten Steuern am Ende genau das Gegenteil dessen passieren kann, was geplant war.

Die Hundesteuer zielt auf Hunde. Aber sie trifft Halterin oder Halter, nicht den Hund. Niemand wird widersprechen können, dass es Menschen und nicht Tiere sind, die Steuern zahlen. Was beim Hund noch banal klingen mag, gilt auch in jedem anderen Fall.

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Luxussteuern auf Motorboote und Privatjets, prunkvolle Wohnimmobilien und prächtige Villen, Energie-, Rohstoff- oder Ressourcensteuern werden nie von den im Steuerfokus stehenden Gegenständen, sondern immer von Personen bezahlt.

Das stimmt im Übrigen für alle indirekten Steuern, die auf Güter, Umsätze und Erträge erhoben werden, also insbesondere auch für die Mehrwertsteuer. Und es gilt auch für Unternehmenssteuern.

Dass niemand anderes als Personen Steuern zahlen, wird auch der Fall sein, wenn nun eben Google, Amazon, Apple, Microsoft oder andere multinationale Firmen mit einer weltweiten Mindeststeuer belegt werden sollen. So wenig wie der Hund, das Flugzeug oder das Rohöl werden es die amerikanischen Big-Tech-Konzerne der Datenwirtschaft sein, die am Ende die Steuerlast zu tragen haben.

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Unternehmen sind keine Personen, deshalb zahlen sie auch – wie Hunde – keine Steuern. Sie führen lediglich in Form von Gewinn-, Körperschafts- oder Gewerbesteuern das Geld an den Fiskus ab. Das ist ein rein technischer Vorgang. Und das soll nun – und das ist das Neue bei einer globalen Unternehmenssteuer – nicht mehr rein national, sondern global nach identischen Mindeststandards erfolgen.

Unternehmenssteuern setzen eine Kaskade der Steuerüberwälzung in Gang, an deren Ende Personen und eben nicht Firmen vom Fiskus zur Kasse gebeten werden. Alle werden versuchen, die heiße Steuerkartoffel weiterzugeben. Entweder werden Absatzpreise entsprechend angehoben.

Dann zahlen Abnehmer und schließlich Verbraucher beim Einkaufen oder der Nutzung von Daten und Apps, Suchmaschinen oder sozialen Medien mehr. Oder aber es wird Druck auf die Zulieferer ausgeübt, um für Vorleistungen weniger bezahlen zu müssen.

In der Regel trägt das schwächste Glied der Kette die Steuerlast

Dann werden bei den Lieferanten die Margen geringer, was entweder deren Profite schmälert oder aber deren wirtschaftliche Lage gefährdet. Es kommt zu einer Reise nach Jerusalem, und alle tun alles, um anderen die Steuern aufs Auge zu drücken.

Wie alle indirekten Steuern erhöhen Unternehmenssteuern Kosten, die dann jedoch auf Preise überwälzt werden. Sie sind so oder so von Menschen zu bezahlen. Entweder an der Kasse beim Einkaufen oder aber über Lohneffekte mit geringerem Arbeitseinkommen.

Ob und wie einfach Steuern überwälzt werden können, hängt insbesondere von Macht, Marktposition und Wettbewerb ab. Als Faustregel gilt, dass das schwächste Glied der Kette von Zulieferern, Produzenten, Beschäftigten, Handel und Kunden die Steuerlast zu tragen hat.

Die Schwäche gegen eine Überwälzung ergibt sich aus Abhängigkeiten und fehlender Mobilität – sowohl im räumlichen wie im beruflichen und privaten Sinne. Wer beispielsweise Flugzeugteile herstellt und nur einen einzigen Abnehmer hat, wird sich kaum wehren können und eine Überwälzung akzeptieren müssen.

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Wer keine Familie, keine Kinder hat oder nicht sesshaft ist, oder wer so qualifiziert ist, dass er oder sie überall problemlos wieder einen Job findet, kann relativ einfach weggehen, den Beruf oder den Wohnsitz wechseln.

Ebenso kann, wer wohlhabend ist und von Vermögenserträgen lebt, leichter andernorts hinziehen, als wer auf Sozialleistungen angewiesen ist. Genauso einfach lassen sich Briefkastenfirmen oder Abrechnungsabteilungen großer Konzerne von Steueroase zu Steueroase verschieben.

Eine globale Mindeststeuer verfolgt einen falschen, veralteten Ansatz

Wie wirkmächtig die Steuerwalze am Kaskadenende die Schwächsten trifft, wird immer wieder empirisch nachgewiesen. So zeigen Ifo-Präsident Clemens Fuest und seine Co-Autoren, dass in Deutschland Unternehmenssteuern (in Form der Körperschaftssteuer) weniger die Wohlhabenden belasten, sondern vielmehr die unteren Schichten, die etwas mehr als die Hälfte des Steueraufkommens zu tragen haben. Die Praxis bestätigt die Faustregel, dass nicht breite, sondern schmale Schultern die Unternehmenssteuern tragen.

Genau deshalb verfolgt eine globale Mindeststeuer für Firmen einen völlig falschen, veralteten Ansatz. Sie wird lediglich dazu führen, dass das schwächste Glied künftig nicht mehr national, sondern global gesucht und von scheinbar pfiffigen Steuerfüchsen gefunden werden wird.

Aber genauso bleibt gültig, dass am Ende alle Steuern nicht von Alphabet, Apple oder Amazon, sondern von Menschen entweder über die direkte Einkommens- oder indirekte Konsumsteuern zu bezahlen sind.

Der komplexe und in aller Regel mit Intransparenz und bürokratischem Aufwand einhergehende Umweg über die indirekte Unternehmenssteuer führt lediglich zu kostspieligen Verzerrungs- und Umgehungseffekten.

Was für ein völlig unnötiges Katz-und-Maus-Spiel der Nachverfolgung und Überprüfung! Was für eine Verschleuderung menschlicher Intelligenz, die sich zu weit klügeren, produktiven Aktivitäten nutzen ließe!

Die Steuerlast tragen die Menschen, die hinter den Unternehmen stehen

Die Hundesteueranalogie hilft, weitverbreitete Steuerillusionen zu entlarven. Sie deckt auf, wer wirklich von Steuern belastet wird. Es ist und bleibt ein tragischer Irrtum, Unternehmen zu besteuern, und dabei zu glauben, man tue etwas Gutes für Wirtschaft, Gesellschaft und Gerechtigkeit.

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Das pure Gegenteil ist richtig. Ein vollständiger Verzicht auf eine Unternehmensbesteuerung wäre für Beschäftigung, Wachstum und damit Wohlstand die klügste Strategie. So ließe sich der Aberwitz internationaler Unternehmenssteuersparmodelle beseitigen.

Mit vielen Tricks wird die Absicht verfolgt, Unternehmen Steuerzahlungen zu ersparen. Dabei haben die Unternehmen selbst gar keine Steuerlast zu tragen, sondern lediglich die Menschen, die dahinterstehen, also die Eigentümer.

Menschen und nicht Unternehmen – also das ausgeschüttete Kapitaleinkommen sowie Gewinne oder Dividenden und nicht das in den Firmen gebundene Kapital – zu besteuern, muss zur neuen Steuerdoktrin werden. Alles andere führt als Folge von Überwälzungseffekten zu effektiven Steuerlasten auf die Schwächsten in Wirtschaft und Gesellschaft, die weder gewollt noch gerecht sind.

Alle Steuern sollten aus der Wertschöpfung bezahlt werden. Was kompliziert klingt, meint ganz einfach, dass es nur direkte Steuern für Personen geben sollte. Zu versteuern wäre alles Einkommen aus allen Quellen, also aus Arbeitsentgelten, Gehältern, Vermögens- und Kapitalerträgen, Dividenden und Tantiemen, Mieten und Pachten, Lizenzen und Eigentumsrechten.

Sobald Geld an Personen fließt, soll es besteuert werden. Also nicht Google, Amazon oder andere Firmen besteuern, sondern das Einkommen und bei Verkauf die Aktiengewinne von Larry Page, Jeff Bezos, Mark Zuckerberg, Arthur Levinson, Tim Cook, Warren Buffett oder anderen Firmeneigentümern.

Bei der direkten Einkommenssteuer für weltweite Mindeststandards, Informationsaustausch sowie gegen Missbrauch und Betrug zu sorgen, ist der zeitgemäße richtige Ansatz. Das soll und darf keinesfalls einen Steuerwettbewerb ausschließen. Aber es muss ihn begrenzen.

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Um den Vorwurf zu entkräften, von direkten Personensteuern würde nur das Wohnsitzland und damit das Ausland, nicht aber Deutschland, profitieren, hilft ein weiteres Mal die Hundesteuer weiter. Selbstverständlich sollen Hundebesitzer für alle Kosten bezahlen, die so ein Hund unbeteiligten Dritten antut.

Preise müssen der Kostenwahrheit entsprechen

Dafür aber sind nicht Steuern zu erheben, sondern nutzungsgerechte Abgaben und Nutzungsgebühren für die öffentliche Infrastruktur. Genauso sollen die ausländischen Datenmultis – wie auch alle inländischen Firmen – für alle externen Effekte bezahlen, die sie in Deutschland verursachen.

Preise müssen der Kostenwahrheit entsprechen. Und zwar in jeder Dimension, also auch für soziale und ökologische Folgen. Direktes „Pricing“, verursacher- oder nutzergerechte Abgaben für alle Unternehmen und deren Aktivitäten sind das Gebot der Stunde. Sie müssen für alle gelten, unbesehen von Herkunft, Branche oder Nationalität. Mit allgemeinen Steuern hat das jedoch nichts zu tun, auch nicht mit globalen Mindeststeuern.

Thomas Straubhaar ist Professor für Volkswirtschaftslehre, insbesondere internationale Wirtschaftsbeziehungen, an der Universität Hamburg.

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